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Ingolstadt (neu) entdecken
Urlaub daheim: Entdeckungstour durch Ingolstadt mit Stadtführerin Andrea Schiberna
„Ingolstadt befindet sich touristisch leider im Dornröschenschlaf“, ist einer der ersten Sätze von Andrea Schiberna, als espresso sie zur Stadttour trifft. Warum das so ist, könne sie überhaupt nicht nachvollziehen. Ingolstadt habe doch so viel zu bieten! Andrea zog vor vielen Jahren von Niederbayern nach Ingolstadt und hat sich seitdem mit jedem Tag mehr in ihre Wahlheimat verliebt. Anfang 2017 absolvierte sie ihre Ausbildung als Gästeführerin bei der ITK (Ingolstadt Tourismus und Kongress GmbH). Seitdem teilt sie ihre Faszination für Ingolstadt mit Besuchern aus aller Welt. Wenn man mit ihr unterwegs ist, spürt man zu jeder Minute ihre Leidenschaft für die Historie der Stadt.
Die drei Herzöge
Die Stadtführung mit Andrea beginnt am Neuen Schloss. 1392 war ein wichtiges Jahr in der Ingolstädter Geschichte. Stefan der Kneißel wurde erster Herzog des neu entstandenen Teilherzogtums Bayern-Ingolstadt. Ingolstadt kam nun als Residenzstadt eine völlig neue Bedeutung zu. Und musste erst einmal regierungstauglich gemacht werden. Eine zentrale Rolle spielte dabei Stefans Sohn Ludwig VII. (Der Bärtige), der Ingolstadt seine wohl berühmtesten Bauwerke verschaffte: Das Neue Schloss, das Liebfrauenmünster und die Hohe Schule. Das Geld für die ambitionierten Bauprojekte stammte zu großen Teilen aus Mitgiften. Denn Ludwig der Bärtige hatte zwei Hofdamen am Hof seiner Schwester in Frankreich zur Frau genommen und war dadurch zu erheblichem Reichtum gekommen. „Er soll mit sechs Eseln voll Gold und anderen Kostbarkeiten aus Frankreich zurückgekehrt sein“, erzählt Andrea.
Neues Schloss
Ein Schloss stellt man sich heute anders vor – prunkvoller, vespielter, filigraner. Das liegt daran, dass das Neue Schloss genau zwischen der Zeit der Burgen und der Zeit der Schlösser geplant und erbaut wurde.
Vorbild war wohl das Schloss in Paris, an dem Ludwigs Schwester regierte.
Vom eigenen Sohn entführt
Das Mittelalter war ein hartes Pflaster. Das bekam auch Ludwig der Bärtige zu spüren. Er hätte gerne einen vorzeigbaren Nachfolger gehabt, erzählt Andrea. Doch sein einziger ehelicher Sohn war Ludwig der Bucklige – der Name verrät es schon: zum Herzog eher ungeeignet. Ludwig der Bärtige zog seinen unehelichen (und schöneren) Sohn Wieland von Freyberg vor. Das konnte sich Ludwig der Bucklige natürlich nicht einfach so gefallen lassen. Er ließ kurzerhand seinen Vater entführen und in die Burg in Burghausen sperren, wo Ludwig der Bärtige den Rest seines Lebens in Gefangenschaft verbringen musste.
Gefährliche Beziehungen
Noch härter traf es die Frau von Ludwig dem Strengen, dem Erbauer des Herzogskastens. „Ludwig der Strenge trägt seinen Namen nicht ohne Grund“, erklärt Andrea. Er ließ seine Frau Maria von Brabant einen Kopf kürzer machen, nachdem er einen Brief entdeckt hatte, der – wie er glaubte – von seiner Frau an ihren heimlichen Geliebten gerichtet war. Eine Verwechslung, wie sich später herausstellte. Doch da war es zu spät: Maria hatte bereits ihren Kopf verloren. Also blieb Ludwig dem Strengen nur noch die Buße, um für seine Missetat nicht im Fegefeuer zu landen. Er baute ein großes Kloster bei Fürstenfeldbruck. So machte man das damals.
Kleine Berühmtheit
Dieses Gemälde vom ältesten noch erhaltenen Ingolstädter Stadttor, dem Kreuztor, hängt im Schloss Neuschwanstein.
Das Kreuztor
Den Namen erhielt das Kreuztor von dem Aussätzigenhaus „Zum Heiligen Kreuz“, das sich neben dem Kreuztor außerhalb der Stadtmauer befand. Die Leprakranken durften tagsüber in die Stadt kommen, um dort Geld zu erbetteln – als Erkennungszeichen mussten sie eine Rassel tragen. Am Abend mussten sie die Stadt wieder verlassen und das Geld im Aussätzigenhaus für Kost und Logis abgeben.
„Eine echte Emanze“
„Sie war einfach eine tolle Frau. Und ist in Ingolstadt leider viel zu oft unerkannt“, sagt Andrea Schiberna, als sie vor der Fleißer-Statue in der Ludwigstraße halt macht, um mehr über diese einzigartige Persönlichkeit zu erzählen. „Sie war eine richtige Emanze. Leider war in der Zeit, in der sie gelebt hat, kein Platz für eine so starke Frau wie sie.“
Die 1901 in Ingolstadt geborene Marieluise Fleißer studierte in München Germanistik und Theaterwissenschaft und traf dabei früh auf bekannte Figuren der Literaturszene wie Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger. Brecht adaptierte in den 20er Jahren ihren Roman „Pioniere in Ingolstadt“ fürs Theater und löste durch seine ordinäre Inszenierung in Berlin einen Skandal aus.
Das war der Wendepunkt für die Fleißerin. „Es hat ihr einen richtigen Shitstorm eingebracht, würde man heute sagen“, erzählt die Stadtführerin. Marieluise Fleißer fiel in Ungnade, sie wurde zur Persona non grata, ihr Vater erteilte ihr sogar Hausverbot. Auch finanziell lief es immer schlechter für sie. Sie kehrte aus Berlin nach Ingolstadt zurück, wo sie den Ingolstädter Josef Haindl heiratete, der einen Tabakwarenladen besaß, in dem sie von da an aushalf. „Zeitzeugen beschrieben sie als todunglücklich zu jener Zeit“, erzählt Andrea. Erst spät machte ihr Leben noch einmal eine Kehrtwende. Nach dem Tod ihres Ehemannes 1958 löste die Fleißerin das Tabakwarengeschäft auf und fing an, ihre frühen Werke zu überarbeiten. Das Schreiben verhalf ihr zu einem späten Lebensglück. Sie starb am 2. Februar 1974 in Ingolstadt, ihr Grab befindet sich auf dem Westfriedhof.
Defiliermarsch
Der Bayerische Defiliermarsch wurde 1850 vom Militärmusiker Adolf Scherzer in Ingolstadt komponiert. Jeden Tag zur Mittagsstunde lässt das Glockenspiel am Weißbräuhaus den berühmten Marsch erklingen.
Erste Bayerische Landesuniversität
Vor der Hohen Schule wird Andrea wehmütig: „Der Platz atmet Geschichte. Schade, dass er so wenig genutzt wird.“ Vor einigen Jahrhunderten muss sich dort noch ein ganz anderes Bild geboten haben. Der Platz, auf dem heute nur noch die drei steinernen Marabus traurig im Kreis zusammenstehen, war früher der Campus der ersten Bayerischen Landesuniversität. Berühmte Humanisten lehrten dort: Scheiner, Apian, Reuchlin – heute sind sie den meisten noch als Namensväter der Ingolstädter Schulen ein Begriff. Der berühmteste unter ihnen ist wohl Johannes Eck. Der damalige Leiter der theologischen Fakultät war der größte Gegenspieler Martin Luthers während der Reformation und errichtete in Ingolstadt ein Bollwerk des katholischen Glaubens. Mit dem Wegzug der Universität im Jahr 1800 von Ingolstadt nach München (heutige LMU) verlor das Gebäude allmählich an Bedeutung. Auch das Zweite Priesterseminar, das früher im Georgianum angesiedelt war, zog nach München um. Und so kehrte mit den Jahren am Platz vor der Hohen Schule Ruhe ein.
Eine Oase mitten in der Stadt
„Gott sei Dank haben wir diesen Ort“, sagt Andrea im Garten der Alten Anatomie. Mit seiner Ruhe und der frischen Luft, die all die Pflanzen versprühen, ist dieser Ort eine Oase mitten in der Stadt. Anfang des 18. Jahrhunderts als Erweiterungsbau für die Medizinische Fakultät erbaut, beherbergte das schlossähnliche Bauwerk im Erdgeschoss Anatomieräume, in denen den Studenten auf anschaulichste Weise der menschliche Körper näher gebracht wurde. Es ist davon auszugehen, dass Ingolstadt damals bekannt für seine Anatomie war. So lässt sich erklären, dass die britische Schriftstellerin Mary Shelley für ihren Roman „Frankenstein“ ausgerechnet Ingolstadt als Schauplatz ihrer fiktiven Geschichte wählte.
Lust auf eine Stadtführung bekommen?
Andrea Schiberna richtet sich bei ihren Führungen ganz nach den Wünschen ihrer Gäste. Über Instagram könnt ihr ganz einfach Kontakt zu ihr aufnehmen:
Kunst im Kleinen
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