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Kein Doktor wie jeder andere

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Kein Doktor wie jeder andere

23 Jahre lang gibt es den Verein KlinikClowns Bayern bereits. Vor 4 Jahren bekam Andreas Schock die rote Nase aufgesteckt | Foto: Sebastian Höhn

Ein Arzt ist er nicht, der Dr. Pfiffikuss. Das merkt man allein schon daran, dass die Patient*innen viel mehr zu lachen haben, wenn er den Raum betritt. Dr. Pfiffikuss ist einer von über 60 Klinikclowns des gleichnamigen Vereins und verabreicht ausschließlich die (dem Sprichwort nach) beste Medizin: Lachen.

Andreas Schock

Klinikclown
Hinter der Clownsnase steckt Andreas Schock aus Ellingen. Er ist ausgebildeter Heilerziehungspfleger und studierter Pflegewirt. Aktuell arbeitet er als Ausbilder an einer Fachschule für Alten- und Heilerziehungspflege. Auf der Bühne fühlt er sich schon seit Jugendjahren wohl, war u.a. Mitglied in einer Band und Darsteller beim Theater. Als Hofnarr führt er (sobald Corona es wieder zulässt) für die Bayerische Schlösserverwaltung Kinder durch das Schloss Ellingen. Mit der Region 10 verbindet Andreas Schock etwas Besonderes: im Klinikum Ingolstadt kam sein Clown zur Welt, in Manching feierte er seinen 100. Auftritt.

Herr Schock, wie lange sind Sie schon Klinikclown?
Ich bin seit Juli 2017 für den Verein KlinikClowns Bayern e.V. tätig. Um aufgenommen werden zu können, muss man eine Ausbildung an einer Clownsschule absolviert oder sich die künstlerischen Voraussetzungen auf anderem Weg angeeignet haben. Anschließend schaut man sich an, wie die anderen Klinikclowns arbeiten und wird selbst eingearbeitet. Mein erster Einsatz war im März 2018 am Klinikum Ingolstadt. Mein 100. Einsatz als Clown Pfiffikuss war in Manching in der Seniorenanlage „Haus an der Paar“.

Aus welchem Grund sind Sie ein Teil des Vereins geworden?
Ich war bereits viele Jahre künstlerisch als Clown unterwegs und habe schon immer mit dem Gedanken gespielt, einmal Klinikclown zu werden – eigentlich seit meiner Diplomarbeit, die ich zum Thema „Humor für ältere Menschen“ geschrieben habe. Im Rahmen meines praktischen Projektes habe ich den Clown im Altenheim ausprobiert. Mir war klar, dass ich das weiterverfolgen möchte. Daher habe ich u.a. eine professionelle Fortbildung über ein ganzes Jahr hinweg besucht. Letztendlich war aber der Impuls einer Clownsfreundin ausschlaggebend:

„Jetzt bewirb dich doch mal!“

Ich bin sehr froh darüber, dass ich damals aufgenommen wurde und bin ein glückliches Mitglied des Vereins.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt erinnern? Wie haben Sie ihn erlebt?
Der erste Auftritt ist ein besonderer. Es ist nochmal etwas anderes, offiziell als Klinikclown die Kinder in der Klinik zu besuchen – zwischen Neugier und Aufregung war da bei mir ganz viel. Als Clown nimmt man diese Energien auch ganz anders wahr. Für mich war es ein unglaublicher Moment, die Clownsvisiten bei den Kindern zu machen. Wir treten immer als Duo auf, meine Clownspartnerin hat mich dabei beobachtet. Ich konnte also den ersten Auftritt zum einen selbst genießen, hatte zum anderen aber auch ganz viel Möglichkeit, darüber mit ihr zu reflektieren. Man nennt es „Die Geburt des Clowns“, wenn man das erste Mal auf der Bühne steht, und so war es auch für mich in der Klinik – da ist der Klinikclown auf die Welt gekommen. Man freut sich, wenn die Kinder sich freuen.

ROTNASEN: „Pfiffikuss“ und „Maggie McDudel“ in der Seniorenanlage Manching

Auf der Homepage sieht man sie mit Zylinder und Ukulele. Außerdem heißt es, Sie würden gerne fröhlich drauflos pfeifen. Daher wohl auch der Name: Dr. Pfiffikuss.
Genau, mein Clown hat sich für den Namen entschieden, weil er immer gerne eine Melodie pfeift. Er sucht nach der Musik, daher auch die Ukulele, und spielt sehr viele Lieder für Kinder und für ältere Menschen – natürlich unterschiedliche. Dr. Pfiffikus hat immer ein aktuelles Lied dabei, das er entweder selbst erfunden hat oder das die Menschen kennen. Im Zusammenspiel mit seiner Clownspartnerin Rosalie ist er eher der Tollpatsch und braucht von ihr immer klare Anweisungen, wo’s langgeht. Für ihn ist das eine schöne Rolle, in der er aufgehen kann.

Er versucht auch, charmant zu allen zu sein, aber das klappt nicht immer.

Sie sind sowohl in Krankenhäusern als auch in Altenheimen unterwegs. Gibt es einen Unterschied, wie Sie im Krankenhaus und wie im Altenheim auftreten?
Im Altenheim ist es eine ganz andere Figur. Wir spielen langsamer, angepasst an die Menschen, an ihre Wahrnehmung und ihr Bedürfnis. Uns ist auch wichtig, dass wir ernstgenommen werden in dieser Arbeit. Die älteren Menschen spüren schon, wenn wir uns auf sie einstellen und mit einem Grammophon oder Gegenständen aus der alten Zeit kommen. Das genießen sie sehr.

Und bei den Kindern?
Dort kann es auch mal wilder zugehen. Wir wollen die Energien bündeln und etwas Verrücktes machen. Wir spielen viele Kinderlieder und machen ganz anderen Quatsch. Von der Humorentwicklung bei Kindern wissen wir, dass sie sehr schadenfreudig sind – obwohl das bei den Menschen im Seniorenheim nicht viel anders ist. Wenn der Pfiffikus stolpert oder sich im Schrank verheddert, genießen das alle. Wir reflektieren natürlich auch und probieren aus, was gut funktioniert. Wir wollen Kinder nicht verschrecken, gerade bei kleineren Kindern gehen wir auch erst langsam und leise heran. Es steckt wirklich eine kleine Philosophie dahinter. Ich habe gelernt, dass man ganz unterschiedlich arbeiten kann – und soll.

Knapp 35.000 „Visiten“ in über 100
Einrichtungen haben die Klinikclowns
schon absolviert.

Spendenkonto:
Freisinger Bank eG
IBAN: DE94 7016 9614 0000 0459 00
BIC: GENODEF1FSR

Für PayPal-Nutzer:
PayPal.me/klinikclowns

Wie kommt Ihre Arbeit bei Ärzt*innen und Pflegepersonal an?
Bei meinem Start feierte der Verein bereits das 20-jährige Jubiläum. Die Idee war in vielen Kliniken also bereits fest etabliert. Das Pflegepersonal schätzt unsere Arbeit sehr. Wenn wir in neue Einrichtungen gehen, muss die Beziehung erst ein bisschen wachsen, denn manche stehen der Idee anfangs skeptisch gegenüber. Wenn sie allerdings die Effekte sehen und wie wir die Menschen aktivieren können, ändert sich das. Wir kommen von außen und können ein Lachen leichter schenken. Wir sind aber für alle da, auch für das Pflegepersonal. Sie merken, dass wir Rücksicht nehmen und vorsichtig an die Patienten herangehen. Wir halten uns an die Regeln, der Humor lebt aber natürlich auch von Tabubrüchen. Also steigen wir auf Stühle oder basteln aus Gitterbetten Aquarien mit Luftballontierchen.

Wir müssen uns beweisen und wenn es klappt, ist das Personal sehr offen.

Sie bewegen sich in einem Umfeld, das oftmals geprägt von Sorgen und Ängsten ist. Ist das für Sie persönlich nicht manchmal schwer?
Wir Clowns haben natürlich eine bestimmte Einstellung und Haltung zum Leben – mit viel Humor. Unser Blick liegt nicht so sehr auf den Sorgen und Ängsten. Wir haben die Chance, freier zu sein und können den Menschen an das Lebenswerte und Schöne erinnern. Wir ändern den Fokus und konzentrieren uns auf die positiven Seiten. Nicht: was geht nicht mehr? Sondern: was geht noch? Das macht es mir auch leichter, immer wieder gerne reinzugehen. Ich suche das Positive und wenn wir es finden, sind wir alle verbunden in diesem schönen, glücklichen Moment.

Was motiviert sie bei Auftritten in Altenheimen?
Wenn beim Besuch des Clowns nochmal das Lachen in das Zimmer gekommen ist. Dass auch am letzten Weg das Lachen, die Freude oder die Liebe ans Leben einen Platz hat. Das sind auch die Erinnerungen, die den Angehörigen oder dem Personal mit den Menschen bleiben. Personal und Angehörige sind gefangen in der Situation.

Der Clown denkt darüber nicht nach. Deswegen kann er ein Fenster öffnen, womit keiner gerechnet hat.

Ich habe es selbst schon erleben können und das motiviert mich sehr, weil ich weiß, dass viel positive Energie darin steckt. Es ist vielleicht wirklich die Liebe zum Leben, zu den Menschen und den positiven Seiten des Lebens. Wir wollen diese Momente suchen und finden. Dem Clown fällt das leichter. Dann ist er eine große Hilfe.

Rote Nase, Zylinder, Ukulele und immer ein Lied auf den Lippen: das ist Dr. Piffikuss.

Gab es in Ihrer Zeit als Klinikclown einen besonderen Moment, der Ihnen nachhaltig in Erinnerung geblieben ist?

Es sind eigentlich alle Momente, in denen die Menschen auf uns reagieren. Das Allerschönste ist für mich, wenn sie selbst Humor einsetzen – wir nennen das humorvolle Interaktion. Dann schenken wir uns gegenseitig ein Lachen. Als Beispiel: Unter Corona-Bedingungen ist es schwer, spielerisch die Abstandsregeln einzuhalten. Menschen mit (angehender) Demenz können die Gründe nicht mehr nachvollziehen oder vergessen die Regeln in dem Moment. Es gab eine Dame, die immer wollte, dass ich zu ihr komme, aber ich habe gemerkt, sie wird nicht verstehen, dass das nicht geht. Es kam dann zu einer richtig schönen Verfolgungsjagd. Sie hat mich mit ihrem Rollator verfolgt und der Pfiffikuss hat ein Spiel draus gemacht: „Du erwischt mich nicht!“. „Ich krieg dich doch!“, sagte die alte Dame. Wir sind uns also nicht begegnet, aber es war für beide ein gutes Gefühl.

Wenn Menschen selbst Humor einbringen, sind sie frei – vielleicht auch von den Sorgen, die sie sonst im Alltag haben.

Treten Sie aktuell mit Maske auf?
Ja, wir haben eine FFP2-Maske auf und werden getestet. Es gibt ein ganz klares Konzept, das wir unterstützen und an das wir uns gerne halten. Wir bringen immer Gegenstände mit. Diese halten wir aktuell nur hoch und überreichen sie nicht. Wir haben uns aber gut darauf eingestellt und haben z.B. extra große Stifte und Zettel im Gepäck. So schreiben wir Liebesbriefe an die Welt. Und wir haben zwei Funkmikros und eine Anlage, damit uns die Menschen über die einzuhaltenden Abstände besser verstehen. Die rote Nase tragen wir aktuell über der FFP2-Maske. Das sieht meist noch komischer aus.

Besuche in Altenheimen und Krankenhäusern waren pandemie-bedingt lange Zeit nicht erlaubt – das galt auch für Klinikclowns. Wie haben Sie den ersten Auftritt in diesem Jahr erlebt?
Im Haus an der Paar in Manching sind wir seit März wieder im Einsatz, im Klinikum Ingolstadt leider immer noch nicht. In der Zeit, in der wir nicht kommen durften, ist mir wieder bewusst geworden, wie wichtig unser Einsatz ist. Wir müssen jetzt den älteren Menschen und den Kindern ein Stück Normalität zurückbringen und die Situation wieder zum Positiven verändern. Es war eine harte Zeit für alle. Nicht nur für uns, die nicht spielen durften. Die Menschen haben uns sehr vermisst. Sie brauchen jetzt ganz viel Liebe und Begegnung, um das Ganze aufzuholen.

Herr Schock, vielen Dank für das Gespräch.

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