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„Ich stehe nicht so gerne im Mittelpunkt“

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"Ich stehe nicht so gerne im Mittelpunkt"

Interview mit Malik Diao

21 Jahre ist der diesjährige Gewinner des Ingolstädter Jazzförderpreises alt. 2017 machte Malik Diao sein Abitur am Reuchlin-Gymnasium, aktuell schreibt das musikalische Multitalent seine Bachelorarbeit an der Uni Eichstätt-Ingolstadt. Sein zweites großes Steckenpferd ist die Politik. Mit espresso spricht er über Karrierepläne, Rassismus und was es seiner Meinung nach für eine bessere Zukunft braucht.

Malik, 5.000 Euro gibt es für den Jazzförderpreis. Schon ausgegeben?
Noch gar nicht bekommen. Bei der Preisverleihung bekomme ich den Scheck, ein paar Tage später sollte ich das Geld haben.

Schon geplant, was du damit machen möchtest?
Ich muss auf jeden Fall eine Querflöte kaufen. Diejenige, die ich gerade nutze, ist nur geliehen. Ich habe ein paar im Blick, die kosten um die 2.500 Euro.

Also nicht so günstig. Gibt’s da noch teurere oder ist das dann schon das Luxusmodell?
Das geht hoch bis 40.000 Euro.

Wie waren die Reaktionen auf deinen Sieg?
Sehr positiv – in meinem Umfeld haben sich alle sehr gefreut. Ich habe sehr viele Glückwünsche von Leuten bekommen, von denen ich schon lange nichts mehr gehört habe. Menschen, mit denen ich im Internet politisch diskutiere, haben sich stellenweise ein wenig echauffiert. Aber das ist Gott sei Dank sehr untergegangen.

Die Preisverleihung findet voraussichtlich am 31. Oktober statt. Dort wirst du mit einem Konzert die Ingolstädter Jazztage eröffnen. Was ist für das Konzert geplant?
Ich habe mir meine Band mittlerweile zusammengesucht. Es wird eine neue Formation sein. Alles Freunde von mir, mit denen ich schon seit Jahren Musik mache. Mit manchen habe ich studiert, andere kenne ich noch aus der Schule. Wir spielen eine Mischung aus World Music, New Jazz und Nordic Jazz. Inspiriert vermutlich von Mammal Hands – das ist eine meiner Lieblingsbands – und GoGo Penguin.

Und ihr übt schon?
Nein, ich bin noch am schreiben. Es ist aufwendiger als erwartet, das Cello immer unterzubringen. Wir werden Anfang Oktober intensiv das Proben beginnen. Das Konzert wird zwischen einer und eineinhalb Stunden dauern. Mir wurde gesagt, ich solle mich kurz fassen (lacht).

Du studierst seit 2017 Angewandte Musikwissenschaften und Musikpädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Steckst du gerade in der Bachelorarbeit?
Ja, ich schreibe über eine Art pädagogischen Leitfaden zur Big-Band-Arbeit an Schulen. Anschließend möchte ich für den Master “Klang und Realität” nach Düsseldorf. Da geht es um multimediales Arbeiten in Kombination mit Licht, Videokunst und Musikkomposition. Das Endziel ist – wenn alles gut läuft – die musikalische Leitung an einem Theater.

Du spielst Querflöte, Saxofon, Klarinette, Gitarre, Kontrabass und E-Bass: woher rührt dein musikalisches Talent?
Üben (lacht). In meiner engeren Kernfamilie gibt es niemanden, der Musik macht. Meine Eltern wollten, dass ich mit 7 Klavier lerne, weil ich motorisch etwas unbegabt war und sie sich dachten, dass das für die Hand-Augen-Koordination ganz gut wäre. Dabei bin ich aber nicht geblieben. Ein Verwandter ist Jazz-Bassist, der hat mir irgendwann einen Bass geliehen und so bin ich dann wieder in musikalische Kreise gerutscht.

Gibt es ein Lieblingsinstrument?
(lacht) Ich sage immer Querflöte, weil die am einfachsten zu transportieren ist. Am liebsten spiele ich aber wahrscheinlich Bass. Ich bin jemand, der sich gerne hinter einer Band versteckt und das kann man mit dem Bass sehr gut. Ich stehe nicht so gerne im Mittelpunkt. Aber eigentlich ist das Instrument egal, solange ich mit guten Leuten Musik machen kann.

Du hast in Berlin mit Produzent Fred Red ein Album aufgenommen. Gibt es schon ein Release Date?
Nein, aber noch dieses Jahr auf jeden Fall.

Was erwartet die Hörer?
Es ist HipHop, beeinflusst durch New Jazz und World Music. Alles instrumental und recht entspannt, kann man sich also auch abends mal bei einem Gläschen Wein anhören.

Es gibt noch ein weiteres Album mit der Sängerin Maura Souloud.
Das ist gerade fertig geworden. Jetzt sind wir auf der Suche nach einem Label und einem Vertrieb, das Album sollte kommendes Jahr erhältlich sein.

Wie würdest du das Album musikalisch einordnen?
Es geht in Richtung Soul und R’n’B – stellenweise aber recht experimentell. Wir sind alle irgendwo Kinder des HipHops, das hört man auf jeden Fall.

Du bist nicht nur musikalisch unterwegs, sondern auch politisch. Du bist Sprecher der Linksjugend Ingolstadt, hast die Black Lives Matter-Demo in Ingolstadt organisiert und dort gesprochen. Wie hast du persönlich die Zeit erlebt, in der der Tod von George Floyd weltumspannend diskutiert wurde?
Insgesamt sehr positiv. Sehr viele Leute sind auf mich zugekommen und haben sich für Sachen entschuldigt, die früher passiert sind. Das Bewusstsein für die Thematik ist deutlich besser geworden. Ich habe mich mit den Gegenbewegungen, die sich etabliert haben, sehr schwer getan. Sei es All lives matter oder Blue lives matter, die mich auch stellenweise ganz öffentlich angeriffen haben.

Kannst du ein Beispiel nennen?
Ich habe grundsätzlich den Stempel weg als gewaltbereites Antifa-Kind. Ich bin nicht gewaltbereit – auf gar keinen Fall. Wir wurden stellenweise auch als Corona-Leugner abgestempelt. Wir haben uns in der Organisation aber sehr viel Mühe gegeben, dass alle Auflagen eingehalten werden. Das haben wir meiner Meinung gut geschafft, wurden aber trotzdem böse angegriffen. Insgesamt war die BLM-Demo aber auch für Ingolstadt wahnsinnig wichtig und ist gut angekommen.

Du hast angesprochen, dass sich Leute bei dir entschuldigt haben für Sachen, die früher vorgefallen sind. Also hast du auch persönlich Rassismus erlebt?
Auf jeden Fall.

In der Schule?
Ja, aber in der Schule würde ich niemandem einen Vorwurf machen. Wir waren Kinder und Kinder sagen manchmal dumme Sachen. Mobbing in Schulen existiert. Das konnte ich wegstecken. Aber es geht dort los und hört dann bei Situationen auf, wenn ich mit meinem Hund durch den Hauptbahnhof laufe und mir hinterhergerufen wird: jetzt haben die Asylanten schon Hunde, geh hin wo du herkommst. Sowas muss nicht sein. Ich bin auch schon nachts gepackt worden.

In Ingolstadt?
Ja, auch.

Medial ist das Thema schon wieder etwas abgeflacht, obwohl in letzter Zeit vermehrt Videos von mutmaßlicher Polizeigewalt in Deutschland auftauchen. Denkst du, dass sich nachhaltig etwas ändern wird?
Gerade wird sich nichts ändern. Ich hoffe auf die nächste Bundestagswahl, von der ich mir neue Mehrheitsverhältnisse erwarte. Jetzt flacht es gerade ab, vielleicht ist das aber auch ein Vorteil, dass man mit neuen Mehrheitsverhältnissen das Thema neu aufgreifen und sinnvoll diskutieren kann. Da haben wir dann hoffentlich Leute wie Horst Seehofer nicht mehr vorne dran, die jegliche politische Antirassismusarbeit blockieren.

Der Innenminister erteilte einer Studie zum Thema “Racial Profiling” bei der Polizei eine Absage, weil dieses ja ohnehin verboten sei.
Genau, das meine ich u.a. mit Blockieren. Nur weil es verboten ist, heißt es ja nicht, dass es nicht stattfindet. Wenn alles Verbotene nicht stattfinden würde, bräuchten wir gar keine Polizei mehr.

Für deine musikalische Karriere hast du schon konkrete Pläne. Wie soll es politisch weitergehen?
Ich habe gerade keine großen Ambitionen in den Bundestag zu kommen. Wenn ich meine Positionen vertreten sehe, unterstütze ich gerne Menschen, die da mehr Ambitionen haben als ich. Wenn ich in die Situation komme, dass ich meine persönliche Position öffentlich vertreten muss, dann werde ich das wohl machen.

Wie bewertest du die Arbeit von deinem Parteigenossen Christian Pauling im Stadtrat. Ganz gemeine Frage (lacht).
Ich arbeite ja mittlerweile direkt als Mitarbeiter der Stadtratsfraktion für den Christian und die Eva (Bulling-Schröter, Anm.). Ich schreibe die Anträge mit, mache Pressearbeit und ähnliches. Ich glaube, wir machen gute Arbeit soweit. Wir haben Profilthemen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Das ist stellenweise durch Corona vielleicht ein bisschen verloren gegangen, aber ich glaube wir setzen uns für das ein, wofür wir stehen und das kann und wird auch so weitergehen.

Corona ist eine große Herausforderung. Hast du irgendwelche Lehren aus den vergangenen Monaten ziehen können?
Auf jeden Fall. Zuerst musikalisch: Pablo und ich, mit dem ich das Duo Rosvita Radikal bilde, haben durch die “Quarantäne” – wir wohnen zusammen – sehr viel musikalisch herumprobieren können. Was es noch für Möglichkeiten gibt, die wir noch nicht ausgenutzt haben. Politisch und gesamtgesellschaftlich habe ich gemerkt, wie krass unterdigitalisiert wir sind. Da vertrete ich innerhalb der Linken vielleicht einen sehr einsamen Standpunkt, aber ich bin sehr für eine digitalisierte Gesellschaft, allein aufgrund der Möglichkeiten, die sie bietet. Während Corona hat man gemerkt, wie wenig wir dabei ausgebaut sind und wo man nachziehen muss. Ich selbst habe viel gelernt, wie man online arbeitet. Das ganze Home-Office-Konzept, das vorher in meinem Leben auch nicht so wirklich stattgefunden hat und von dem ich mittlerweile sehr viel halte. Insgesamt ist das Arbeiten auf Vertrauensbasis etwas, von dem wir als Gesellschaft lernen können, dass es funktioniert.

Eine Welt ohne Musik wäre…
…traurig. Ganz traurig sogar. Musik hat schon immer stattgefunden. Musik gehört zur Kultur und gerade durch Weiterentwicklung von Kultur rechtfertigt man sich ja doch irgendwo als moderner Staat.

Für eine bessere Zukunft braucht es…
Geduld. Sehr viel Geduld und Revolutionsgeist.

Malik, vielen Dank für das Gespräch.

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