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Gut, besser, Gaus!

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Gut, besser, Gaus!

Foto & Text: Sabine Kaczynski

Interview mit Marcel Gaus

Seine vierte Saison beim FC Ingolstadt 04 läuft für Marcel Gaus derzeit wie geschmiert: Der sympathische gebürtige Düsseldorfer heimst bei Medien, Fans und Trainer Tomas Oral wahre Lobeshymnen ein, steht mit den Schanzern in der Tabelle auf einem hervorragenden zweiten Platz und genießt nach der Geburt seines zweiten Kindes zudem sein Familienglück. Nahezu perfekt – wäre da nicht an allen Ecken und Enden die Corona-Pandemie zu spüren. Im espresso-Interview spricht „Gausi“ über seine Rolle beim FCI, seine Zukunftspläne, die jungen Schanzer Papas, soziale Medien – und Corona.

Nach zehn Spieltagen steht ihr derzeit auf Rang zwei – wie zufrieden bist du mit dem bisherigen Saisonverlauf? Aktuell ist die Tabelle noch nicht aussagekräftig, da sie aufgrund einiger Spielabsagen etwas verzerrt ist. Nach der holprigen Vorbereitung sind wir mit dem Personal bislang ganz gut durch die Krise gekommen und hatten keine weiteren positiven Fälle – was hoffentlich auch so bleibt. Dennoch bin ich nicht ganz zufrieden, weil wir den einen oder anderen Punkt liegengelassen und noch viel Luft nach oben haben. Das wollen wir kontinuierlich auf den Platz bringen.

Ihr seid noch nie so gut in eine Drittligasaison gestartet wie in diesem Jahr – was traust du den Schanzern noch zu? Natürlich wollen wir heuer, nachdem wir ihn letzte Saison so knapp verpasst haben, wieder beim Kampf um den Aufstieg dabei sein – da brauchen wir nicht drum herumreden. Aber es gibt in der Liga viele Mannschaften, die das wollen, alleine schon – und in Corona-Zeiten gilt das mehr denn je – aus wirtschaftlichen Gründen. Die anderen Teams sind auch gut aufgestellt, derzeit gelingt es keinem, sich abzusetzen. Da kann Woche für Woche alles passieren – positiv wie negativ.

Du selbst hast in dieser Saison schon in der Verteidigung, im defensiven und offensiven Mittelfeld gespielt und bist hinter Stefan Kutschke der Topscorer der Schanzer – bist du die neue FCI-Allzweckwaffe und sehen wir dich demnächst sogar im Sturm? Offen bin ich für alles! Ich habe ja bereits in den letzten Jahren immer wieder die Position gewechselt, meine aktuelle Rolle im zentralen Mittelfeld gefällt mir sehr gut, da kann ich mich austoben. Wenn der Trainer aber sagt, er braucht mich als linken Verteidiger, nehme ich das genauso an.

Medien, Fans und sogar Trainer Tomas Oral haben zuletzt einhellig deine Leistung herausgehoben – erlebst du gerade deine beste Saison bei den Schanzern? Ich merke, dass ich topfit und ausgeglichen bin und im privaten Bereich ein super Umfeld habe. Das alles sorgt dafür, dass ich meine Leistung bringen kann. Selbstverständlich braucht man auch das Vertrauen des Trainers und des Vereins – und das spüre ich komplett. Dann ist es auch einfacher, seine Leistung zu bringen, als wenn du Woche für Woche auf der Kippe stehst. Es ist schön, wenn man zwischendurch ein paar nette Worte hört, aber darauf lege ich keinen allzu großen Wert. Ich versuche, auf mich selbst zu schauen, meine Leistung zu bestätigen und mit dem Team erfolgreich zu sein.

Marcel Gaus mit seinem Sohn Robin

Du gehst voran, übernimmst Verantwortung, kämpfst, zeigst Moral: Siehst du es als erfahrener Spieler als deine Aufgabe an, Vorbild und Orientierung für die Youngsters im Team zu sein? Auf jeden Fall. Genau das habe ich mir vorgestellt, als ich trotz unseres Abstiegs meinen Vertrag verlängert habe. Der Verein hat mir damals aufgezeigt, dass wir erfahrenen Spieler vorangehen sollen. Ich möchte mit der Art und Weise, wie ich Fußball spiele, aber auch mit meinem Verhalten in der Kabine eine Persönlichkeit sein, an der sich die jungen Spieler orientieren können. Ich wurde selbst als Youngster von älteren Mannschaftskollegen geleitet und konnte dabei viel für meine Karriere und mein persönliches Verhaltensmuster im Profisport mitnehmen. Ich hoffe, dass ich meine Hingabe, mit der ich dem Sport und meinem Beruf nachgehe, auf die Jungen übertragen kann, denn es ist ein Privileg, dass wir mit dem Fußballspielen Geld verdienen können.

Die Coronazahlen steigen weiter, die Maßnahmen wurden wieder verschärft, Spiele werden abgesagt – wächst die Furcht vor einem erneuten Trainings- und Spielverbot? Ich hoffe, dass das nicht passiert, aber natürlich sind wir vor weiteren Maßnahmen nicht gefeit. Wenn es zur Eindämmung der Neuinfektionen an irgendeinem Punkt dann doch notwendig ist, sind wir die Letzten, die behaupten, wir seien unabdingbar für die Gesellschaft. Ich muss ganz klar sagen, dass es andere Berufszweige gibt, die wesentlich wichtiger sind. Aber ich gehe auch gerne meiner Arbeit nach und möchte es natürlich auch tun, wenn es möglich ist.

Es gab große Diskussionen, weil das Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Ukraine trotz positiver Coronabefunde nicht abgesagt wurde. Spielt man mit der Gesundheit der Fußballer, um nicht auf Geldeinnahmen verzichten zu müssen? Jeder Spieler ist sich im Klaren, dass im Fußball generell viel Geld im Umlauf ist, das aber letztlich auch allen Verbänden zugute kommt. Wenn bei der Nationalmannschaft Einnahmen wegfallen, könnte das vielleicht Auswirkungen bis in den Amateurbereich haben. Gleichzeitig ist das Infektionsgeschehen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht komplett kontrollierbar. Trotzdem habe ich Vertrauen in die handelnden Organe, dass eine vertretbare Linie gefahren wird. Ich kann aber auch verstehen, dass es in der Bevölkerung kritisch gesehen wird, dass ein Spiel gegen die Ukraine in einem vielleicht nicht ganz so „wichtigen“ Wettbewerb durchgedrückt wird, zumal die Nationalspieler bei den ohnehin engen Ligaplänen einer noch größeren Belastung ausgesetzt sind. Es ist schwierig, eine Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten zufrieden sind.

Fans wird es angesichts der aktuellen Pandemie-Lage definitiv vorerst nicht in den Stadien geben – gewöhnt man sich als Fußballer an die Geisterspiele? Ich will mich gar nicht daran gewöhnen, denn die Atmosphäre im Stadion und vor vielen Zuschauern zu spielen sind der Grund, warum wir Profi geworden sind. Geisterspiele sind nicht das, was wir kennen und was Spaß macht.

Auch wenn es bei den Schanzern grade bei dir super läuft – denkst du mit 31 Jahren auch daran, was nach deiner Fußballkarriere kommt? Natürlich macht man sich mit fortschreitendem Alter Gedanken über die Zukunft, aber so, wie ich mich gerade fühle und mich präsentiere, beschäftige ich mich noch nicht mit meinem Karriereende. Allerdings steht für uns fest, dass wir, wenn unser Sohn Robin – er ist jetzt drei Jahre alt – in die Schule kommt, zurück nach Düsseldorf in die Heimat gehen. Wir wollen unsere Kinder nicht alle paar Jahre aus dem gewohnten Umfeld reißen, nur damit ich woanders Fußball spielen kann.

Wird es in Düsseldorf dann noch den Fußball-Profi Marcel Gaus geben? Mein Ziel ist es auf jeden Fall, dort noch weiterzuspielen. Im Umkreis von einer Stunde Fahrtzeit gibt es in Düsseldorf sehr viele Vereine. In welchem Rahmen ich dort dann aktiv sein werde, wird man sehen, aber komplett aufhören möchte ich dann noch nicht. Aber das ist Zukunftsmusik.

Marcel Gaus mit Frau Lucky und Töchterchen Lia (Fotos: privat)

Wäre es eine Option, nach deiner aktiven Karriere dem Fußball beruflich verbunden zu bleiben? Das kann ich mir derzeit nicht vorstellen, irgendwann ist es einmal genug. Wenn man eine Funktion im Sport übernimmt, ist man wieder Wochenende für Wochenende unterwegs. Ich glaube eher, dass ich mir einen anderen Bereich suchen werde, weil ich irgendwann einen geregelten Ablauf haben und das Wochenende lieber mit der Familie und den Kindern verbringen möchte.

Du hast deine Heimatstadt Düsseldorf einmal als „schönste“ Stadt Deutschlands bezeichnet… Das ist falsch formuliert. Das habe ich nicht einmal gesagt, das sage ich immer! (lacht)

Kann Ingolstadt inzwischen ein bisschen mithalten? Wir sind im vierten Jahr hier und fühlen uns sehr wohl auf der Schanz. Trotzdem freuen wir uns immer, wenn wir nach Düsseldorf kommen, weil es eben die schönste Stadt ist. Natürlich kommt auch unsere Familie von dort, deshalb gibt es eine große Verbundenheit mit Düsseldorf.

Wenn man in die sozialen Medien schaut, fällt auf, dass du im Gegensatz zu vielen deiner Kollegen dort nicht unterwegs bist – warum? Ich habe keine Lust, dafür meine Zeit zu verschwenden. Früher hatte ich auch Accounts, habe aber gemerkt, dass mir das absolut nicht wichtig ist. Ich bevorzuge auch den persönlichen Weg, mit jemandem zu kommunizieren. Zudem habe ich keine Lust auf Leute, die sich im Internet hinter irgendwelchen Konten verstecken und dich beleidigen können, während du die Contenance wahren musst und nicht aus der Haut fahren darfst. Mir bringt das nichts, ich brauche diese Bestätigung nicht, deshalb habe ich beschlossen, mich komplett zurückzuziehen. Es gibt Wichtigeres in meinem Leben als Social Media.

Wir haben vorhin schon über Verantwortung im Spiel gesprochen. Bei einer Aktion gegen Rassismus am Apian Gymnasium hast du den Schülern gesagt, dass ihr als Schanzer auch neben dem Platz Verantwortung übernehmen wollt. Wie möchtest du deine Vorbildfunktion – gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt – einsetzen? Aktuell beschränkt sich vorbildliches Verhalten notgedrungen darauf, sich an die Vorgaben zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu halten. Wir verzichten tatsächlich im privaten Bereich auf sehr viel, haben aktuell so gut wie keinen Kontakt zu unserer Familie. Mein Bruder wohnt beispielsweise in der Schweiz und hat meine Tochter Lia, die im April geboren wurde, noch nicht gesehen. Unter „normalen“ Umständen hätte es das nicht gegeben. Aber das ist der Weg, den wir aktuell auch vorleben müssen, dass wir eben nicht aus der Reihe tanzen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir eine Vorbildfunktion haben. Wenn wir uns nicht an die Regeln halten, werden es viele andere auch nicht tun.

Kommen wir zu einem schöneren Thema: Es scheint so, als sei bei den Schanzern gerade ein Baby-Boom ausgebrochen, auch du bist heuer zum zweiten Mal Papa geworden… Das stimmt! Es gibt anscheinend eine fruchtbare Luft hier in Ingolstadt! (lacht)

Tauscht ihr euch untereinander aus oder gebt euch gegenseitig Ratschläge? Einige Spieler haben auch schon größere Kinder und deshalb für die jungen Papas den einen oder anderen Tipp parat und sagen ihnen, dass es ganz normal ist, wenn es Nächte gibt, die nicht so toll laufen. Ich finde es wirklich schön, dass so viele von den Jungs Nachwuchs bekommen, denn Kinder sind unsere Zukunft. In der Kabine erkennt man die jungen Väter an den Augenringen, aber es herrscht eine sehr gute Stimmung und wir haben einen sehr guten Mix im Team.

Deine Tochter Lia wurde im April geboren, als ihr noch keine Punktspiele absolvieren durftet – wie wichtig war deine Familie in dieser Zeit für dich? Was das betrifft, so war es ein großes Geschenk, dass wir komplett von zuhause gearbeitet haben, weil ich dadurch viel Zeit mit meiner Familie genießen konnte. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Phase so intensiv erleben durfte, weil die ersten Wochen so schnell vorbei gehen und viele Veränderungen stattfinden.

Aktuell sind die Kontakte wieder beschränkt – was hast du während des ersten und des gerade stattfindenden Lockdowns am meisten vermisst? Die Treffen in einer größeren Gruppe. Dass die Nachbarn oder Freunde vorbeikommen oder die Familie aus Düsseldorf anreist und man zusammensitzt und gemeinsam einen schönen Abend verbringt – diese Unbeschwertheit vermisse ich schon. Auch wenn ich sie vorschriftsmäßig trage, kann ich mich nicht mit den Masken anfreunden, weil ich den Leuten lieber „ordentlich“ ins Gesicht schaue.

Wie nutzt ihr die gemeinsame Zeit als Familie? Wir verbringen viel Zeit zuhause oder gehen spazieren. Wenn das Wetter nicht mitspielt, versuchen wir, die Kleinen im Haus auf Trab zu halten – da hat man alle Hände voll zu tun. Da kann ein freier Tag zuhause anstrengender sein, als ein Trainingstag mit einer doppelten Einheit (lacht). Im Ernst: Es macht riesig Spaß, ist aber auch eine große Verantwortung, die man trägt. Aber ich genieße es sehr, weil man so viel zurückbekommt.

Was spielst du am liebsten mit deinem dreijährigen Sohn Robin? Fangen und Verstecken gehören dazu, außerdem sucht er sehr gerne mit der Taschenlampe im Dunkeln irgendwelche Sachen im Garten, aktuell ist auch Knete angesagt.

Die Adventszeit ist bald da: Backt ihr zuhause mit den Kids Plätzchen und was ist deine Lieblingssorte? Wir haben tatsächlich schon Kekse gebacken, am liebsten mag ich Vanillekipferl. Wenn wir Weihnachten zuhause sind, gibt es auch Spekulatius oder Lebkuchen, aber der große Keksfreund bin ich nicht. Für die Kleinen ist es natürlich cool, Teig zu kneten und Kekse auszustechen.

Auch Weihnachten steht vor der Tür: Wie wird bei Familie Gaus gefeiert? Das wissen wir noch nicht genau, weil es ja von den behördlichen Richtlinien abhängt. Grundsätzlich ist angedacht, ein paar Tage zur Familie nach Düsseldorf zu fahren, aber natürlich haben wir auch in Ingolstadt einen Weihnachtsbaum. Für uns war es als Kinder das Schönste, wenn an Weihnachten alles aufgebaut war, gekocht wurde und der Duft durch die Wohnung zog. Auch unsere Kinder sollen diese Freude und Dankbarkeit, dass wir zusammen sein können, erleben.

Letzte Frage: Was wünschst du dir nach diesem für uns alle kuriosen Jahr persönlich und mit den Schanzern für 2021? Mit dem Team wünsche ich mir den größtmöglichen sportlichen Erfolg, im privaten Bereich gibt es nichts Wichtigeres als die Gesundheit. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Leute gesund bleiben und wir die Pandemie zeitnah in den Griff bekommen, damit die Lebensfreude und der ganz normale Alltag wieder zurückkommen. Vielleicht weiß man dann die Kleinigkeiten im Leben und die Dinge, die wir haben, ein Stückweit mehr zu schätzen.

Marcel, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.

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