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Two & a half girls
Im Interview (und im Bett) mit Daniel Christensen
Ganz großes Kino: Wir haben den Schauspieler Daniel Christensen und die Schauspielerinnen Klara und Maria Wördemann im Hotel Provocateur in Berlin getroffen. Eine ganz private Partynacht – zwischen Lack und Leder, Glitzer und Federn, Gin und lauter Musik, einer Kamera und unrasierten Männerbeinen. Eine Begegnung.
VON STEFANIE HERKER
Hallo Daniel, bevor hier im Hotel Provocateur gleich die Post abgeht, möchten wir dich gerne etwas näher kennenlernen. Du bist in Bayern aufgewachsen, lebst mittlerweile in Berlin. Warum hast du dich für Berlin entschieden und gibt es etwas, das du an Bayern vermisst?
Ich war 19, als ich nach der Schauspielschule Bayern verlassen habe. Im Grunde hatte ich den natürlichen Drang, soweit wie möglich weg von meinem Heimatdorf in die Welt zu gehen. In Folge habe ich dann z.B. auch in Wien, Berlin und Paris gelebt und/oder gearbeitet und mir konnte keine Stadt groß und bunt genug sein. Heute kehre ich am liebsten in mein Oberbayerisches Dorf Raitenhasslach am 1. Mai zurück. Bier, Maibaum, Blasmusik und Sonne. Ansonsten bin ikke jetzt seit 17 Jahren von Herzen Berliner.
Man kennt dich in ganz unterschiedlichen Rollen. Als portugiesischer Kommissar Carlos in der ARD Romanreihe LOST IN FUSETA, als Xaver Holzapfel in der Amazon Prime Serie DER BEISCHLÄFER, aber vor allem in der Kult-Rolle des Ignaz Flötzinger aus der Eberhofer Kinoreihe. Identifizierst Du Dich mit Deinen Rollen? Wieviel Daniel Christensen steckt z.B. im Charakter des Flötzinger?
Meine Fans stellen oft mit Enttäuschung fest, dass es null Schnittmenge zwischen mir als Person und diesem Charakter gibt. Ich spreche privat nicht einmal Bayerisch. Ich liebe es, mich in das Universum meiner unterschiedlichen Rollen zu vertiefen und zu denken und fühlen wie diese es halt nun mal tun. Ich bewerte meine Figuren nicht. Ich gebe kein innerliches Urteil über sie ab. Über die Jahre ist z.B. der Ignaz ein ganz guter Kumpel geworden, ein bisschen ist er aber auch wie mein Kind. Wäre er mein guter Freund, würde ich ihn wahrscheinlich in den Arm nehmen und sagen:
Du bist schon gut, so wie Du bist. Du musst nicht jedem Rocksaum hinterherlaufen, um zu beweisen, wie wertvoll Du bist. Ich mag Dich auch so.
Du hast eine riesige Fan-Gemeinde aufgrund dieser Rolle. Kannst Du Dir erklären, wie das zustande kommt?
Seit ich Kommissar der Portugalreihe LOST IN FUSETA bin, hat sich die Fangemeinschaft ziemlich durchmischt. Auf den Flötzinger werde ich selbst in Berlin oder Hamburg auf der Straße angesprochen, aber eben auch auf Carlos. Als ich neulich in Köln gedreht habe, haben aber Fans vor dem Hotel gewartet, die wegen der Prime Serie DER BEISCHLÄFER Fotos und Autogramme wollten. Für mich ist es schwer einzuschätzen, wie sich die Fan-Gemeinde konkret zusammensetzt. Die Eberhofer Krimis sind sehr beliebt, im ganzen deutschsprachigen Raum. Ich vermute, das liegt am Humor und auch der Tatsache, dass die Figuren lebensnah und schräg sind. Man identifiziert sich gerne mit diesen eigenartigen Typen.
Der Ignaz ist schon wirklich ein Unikat. Ein echt liebenswürdiger Depp mit einer riesen Portion Selbstüberzeugung und Verve.
Welche anderen Rollen hattest du sonst schon in deiner Schauspieler-Laufbahn?
Ich komme ja vom Theater. Bis zur Pandemie 2020 habe ich auch wirklich viel und in erster Linie auf der Bühne gestanden, begonnen habe ich das bereits 1998. Mein Debüt war damals als Tybalt in Romeo und Julia am Salzburger Landestheater. Von 2005 bis 2014 habe ich dann z.B. die Titelrolle in Goethes Briefroman DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER am Schauspiel Frankfurt und dem Staatstheater Hannover gespielt. Das war sicher in dieser Lebensphase eine meiner wichtigsten Rollen. Ich habe viel von ihm gelernt. Der Werther und ich standen uns über neun Jahre sehr, sehr nah. Ich glaube, er würde das auch so sagen.
Wie hast du den Sprung vom Theater zum Film geschafft? War das immer ein großer Wunsch?
Früher wollte ich nur Theater machen, TV habe ich total abgelehnt. Ich hatte das große Glück, sehr früh in meiner Karriere mit fantastischen Leuten zu arbeiten. Mit 21 mit dem renommierten britischen Filmregisseur Peter Greenaway etwa. Daher wollte ich Theater und Arthouse Kino machen. Fernsehen hat mich erstmal null interessiert. Als ich später freischaffend arbeiten wollte, war es mir aus finanzieller Hinsicht nicht mehr möglich, TV komplett abzusagen. Da ich als tschechisch-stämmiger Schauspieler in der Branche in der Rubrik „ethnische Herkunft Osteuropäer“ wahrgenommen wurde, habe ich in den frühen 2000er Jahren nur Gastrollen als Dieb, Knacki, Drogensüchtiger oder ungarischer Mafia-Sohn bekommen. Damals war das normal.
Als Slawe konnte man keine positiv besetzen Rollen spielen, das war meist den Kollegen „deutschen Aussehens“ vorbehalten.
2012 hat mich dann der damals schon sehr namhafte Regisseur Hans Steinbichler für die Hauptrolle in seinem Polizeiruf SCHULD besetzt. Dort wurde ich erstmals als bayerisch sprechender Schauspieler wahrgenommen. Niemand hatte mich im bayerischen Dialekt auf dem Schirm. Verständlich, ich bin ja tschechischer Abstammung, aber dänischer Staatsbürger mit einem skandinavischen Namen.
Niemand wusste, dass ich einen bayerischen Dialekt beherrsche. Wir haben dann direkt als bestes Ensemble den deutschen Schauspielpreis gewonnen und über Nacht war ich irgendwie gefragt.
Ich weiß noch, als die BILD-Zeitung eines Morgens anrief und ein Interview wollte. Das war ich bis dahin gar nicht gewohnt. Ich dachte nur: „Ach Du liebe Güte, was geht denn hier ab?!“ Und dann wurde mir der „Flötzinger“ angeboten und es ging dahin.
Du hast eine Ausbildung im Schwert- und Degenkampf. Wie kamst du denn dazu?
Ums Eck quasi. Meine Mutter war in meiner Kindheit mit einem US-Amerikaner verheiratet. Deshalb mussten wir Zuhause Englisch sprechen. Also war ich es gewohnt und es fiel mir leicht. Als wir 1997/98 für Romeo und Julia den Amerikanischen Kampf-Choreografen Robert McDougle (der auch die Kämpfe für den Film Braveheart mit Mel Gibson gemacht hat) in Österreich am Theater hatten, stellte sich heraus, dass mir das Kämpfen sehr leicht von der Hand ging. Das lag daran, weil ich vom Tanz kam und seit meinem fünften Lebensjahr Ballett, Moderndance und später Breakdance getanzt hatte. Da ich auch noch flüssiges Englisch sprach, hat mich Robert kurzerhand zu seinem Assistenten und Übersetzer gemacht, später auch in verschiedenen Workshops im deutschsprachigen Raum. Zum Dank hat er mich währenddessen in seiner Eigenschaft als Master Trainer zum sogenannten Stage Director ausgebildet. Mit diesem Zertifikat ist es mir international erlaubt, Bühnenkämpfe mit Hieb und Stichwaffen zu choreographieren oder Workshops zu leiten. Das Ganze war eigentlich ein Zufall.
Mit wem würdest du gerne mal drehen?
Wes Anderson, Roy Anderson, Andreas Dresen, Jim Jarmush, Andreas Kleinert, Sophia Coppola, gern nochmal mit Dominik Graf und Hans Steinbichler und vielen mehr. Ah ja, Lars von Trier habe ich vergessen.
Stellt euch vor, ihr werdet nochmal 18. Wie feiert ihr das?
Gibt es Rollen, die du ablehnen würdest?
Ich lehne mehr Rollen ab, als ich annehme. Vorabendserien mache ich z.B. nur noch in Ausnahmefällen. Ansonsten entscheide ich so etwas nach der Lektüre des Drehbuches. Es muss einfach passen.
Apropos Rollen. Bei unserem Shooting mit Maria und Klara war dir besonders wichtig, dass ihr mindestens „gleichberechtigt“ dargestellt werdet. Hast du in deiner Vergangenheit beim Film jemals eine Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern erfahren und wie schätzt du die aktuelle Lage ein?
Klara und Maria schätze ich zutiefst. Privat und als Kolleginnen. Ich selbst konnte in meiner Zeit beim Film, bei den Projekten, die ich gedreht habe, keine Ungleichbehandlung beobachten. In meiner Zeit am Theater sieht das schon extrem anders aus. Dort habe ich enorm viel Ungleichbehandlung erlebt und das können Maria und Klara ebenfalls bestätigen. Wir haben als junges Ensemble damals am Theater auch hart versucht für gleichberechtigte Bezahlung zu kämpfen. Erfolglos. Es scheint sich da aber gerade viel zu tun. Mehr und vor allem schneller geht immer und es bleibt weiterhin viel zu tun.
Hast du Vorbilder? Wer inspiriert dich?
Marshall B. Rosenberg, der Erfinder der gewaltfreien Kommunikation. Ich beschäftige mich jetzt schon einige Jahre mit der GfK und es hat mein Leben, meine Beziehungen zu meinen Mitmenschen unfassbar beeinflusst und verbessert. Seine Fähigkeit, Menschen in allen Lebenslagen bedingungslos Empathie zu geben, berührt mich zutiefst. Ich versuche ihn, so gut ich kann, zu imitieren und von ihm zu lernen. Leider ist er vor ein paar Jahren verstorben.
Welche Eigenschaften hättest du gerne?
Mein alter jüdischer Schauspiel-Professor hat immer gesagt: „Das Beliebige ist der Feind des Konkreten.“ Ich empfinde unser Zusammenleben in dieser Gesellschaft oft als total beliebig bis hin zu fast willfährig. Ich weiß, der Begriff klingt etwas altmodisch, aber Willfährigkeit bedeutet: gedankenlos handeln ohne auf die eigene Würde zu achten. Auch wenn es ein bisschen pathetisch klingt, vermisse ich in unserem heutigen Zusammenleben manchmal die vier alten Kardinaltugenden: Klugheit/Weisheit, Gerechtigkeit, Mäßigung (die Fähigkeit, das richtige Maß zu finden) und Tapferkeit/Mut.
Wie motivierst du dich an schlechten Tagen?
Ich versuche es zu akzeptieren, wie es ist. Allem, wogegen ich Widerstand leiste, führe ich meine Energie zu. Also leite ich meine Energie auf das, was ich will, nicht auf das, was ich nicht will. Ich möchte in meinem Leben dem folgen, was sich zeigt. Ich glaube, das Leben besitzt eine größere Intelligenz als ich. Ich finde, es lohnt sich, sehr wach in die Welt und meine Begegnungen zu kucken, denn sie sind ein Spiegel von mir. Ich liebe den Satz des indischen Dichters Rumi: „Jenseits von Richtig und Falsch gibt es einen Ort, dort treffen wir uns.“
Du bist unglaublich vielseitig! Welche Projekte stehen auf deiner To-do-Liste, wenn du gerade nicht drehst?
Da ich ja auch Polaroid Akt Fotografie mache, sind meine Presseagentin und ich gerade in Vorbereitung einer Ausstellung in Berlin. Ich unterrichte auch immer mal zwischendurch Schauspiel an zwei Hochschulen und habe vor Jahren lyrisches Schreiben studiert. In letzter Zeit habe ich auch wieder angefangen mich dem zu widmen und Gedichte zu schreiben. Das hat mir schon ein bisschen gefehlt. Ich glaube, ich brauchte eine Muse dafür 😉
Hast du noch einen Rat fürs Leben?
Es lohnt sich, entspannt zu bleiben und dem Leben zu vertrauen. Und so blöd es klingt: Sei für jeden verdammten Tag verdammt dankbar. Du kannst nie verlieren, wenn Du einfach jeden Tag all Deine Liebe verschenkst. So bedingungslos es halt gerade in diesem Augenblick möglich ist.
Danke für diese schönen Worte, Daniel!
Es wird eine Fortsetzung des Interviews in der nächsten espresso geben. Daniel lässt uns in seine Berliner Wohnung schauen und wir werden noch mehr über ihn, Maria und Klara erfahren, seid gespannt!
(fun) facts about the twins
1
Wir haben früher im Sportunterricht immer Klamotten ausgetauscht und füreinander die Leistungskontrollen gemacht, weil unsere Talente sehr unterschiedlich verteilt waren.
2
Wir haben uns mal mit einem Freund als reiche Erben verkleidet und versucht, uns im Vier Jahreszeiten zu Drinks einladen zu lassen und unsere erfundenen Biografien zu verkaufen. Hat geklappt.
3
Unser schönste gemeinsames Erlebnis war eine Radtour die Westküste der USA runter. Unser schlimmstes eine Bootstour, bei der wir in einen Sturm geraten und aufs offene Meer hinaus getrieben sind.
4
Wir denken oft dasselbe zur selben Zeit und finden das dann selbst gruselig.
Links: Maria Wördemann, 28 Jahre, Wohnort Wiesbaden, Lieblingsrolle Queen Elizabeth in „Tyll“
Rechts: Klara Wördemann, 28 Jahre (Klara ist 20 Minuten älter als Maria), Wohnort Wiesbaden, Lieblingsrolle Lenina Crowne in „Schöne Neue Welt“
Mehr Fotos: Instagram @stefanie.herker
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