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Geisterspiel-Premiere

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Geisterspiel-Premiere

Corona-Schweigeminute vor dem Anstoß (Fotos & Text: Sabine Kaczynski)

Wie fühlt sich ein Fußballspiel so ganz ohne Zuschauer an? espresso-Reporterin Sabine Kaczynski war beim ersten Spiel der Schanzer nach der Corona-Pause im Stadion live dabei und hielt ihre Eindrücke für uns fest.

Es ist 12:30 Uhr und die Aufregung steigt. Gleich werde ich meine Sachen packen und zum ersten Geisterspiel meines Lebens aufbrechen. Der Fragebogen für die Einlasskontrollen ist ausgefüllt, Laptop, Handys (vorsichtshalber zwei, man weiß ja nie….), Block und Stift, LAN-Kabel und natürlich der Mund-Nasen-Schutz liegen bereit – eigentlich kann es losgehen. Eine Mischung von mulmigem Gefühl und Vorfreude auf das erste Fußballspiel nach drei Monaten breitet sich in meiner Magengegend aus. Wie es wohl werden wird – so ganz ohne Zuschauer? In knapp 90 Minuten werde ich es wissen, wenn der Schiri die Partie anpfeift.

13:20 Uhr, Ankunft am Stadion. Bis auf eine Zufahrt ist alles abgesperrt. Einige Offizielle stehen mit Mundschutz am Eingang, zuerst wird Temperatur gemessen. Beim zweiten Mal funktioniert es – passt, ich darf rein, aber erst nur auf den Vorplatz. „Sie sind die einzige Frau heute“, sagt mir die Dame, bei der ich meine Unterlagen abgeben muss. WOW! Das hatte ich auch noch nicht. Dann gehe ich zur Akkreditierungsstelle, Hände desinfizieren, Bandl um die Taschen – und diesmal auch ums Handgelenk. Ich gehe durch den PK-Raum, nehme mir auf dem Weg zur Pressetribüne eine Flasche Wasser. Auf der Tribüne sitze ich mit einem Kollegen in einer Reihe – mehr dürfen nicht zusammen rein. Mit Abstand und Mundschutz natürlich. Das Stadion ist leer. Sieht komisch aus. Ein Transparent mit der Aufschrift „Emotionen im Stadion – statt trostlos auf der Couch. Fußball lebt durch seine Fans“ ersetzt die jubelnden FCI-Anhänger auf der Südtribüne. Die Einlaufmusik läuft, die Aufstellung wird vom Stadionsprecher vorgelesen. Die „Hells Bells“ läuten und die Mannschaften betreten das Spielfeld. Alle stellen sich am Mittelkreis auf, gedenken der Opfer der Corona-Pandemie und danken dem medizinischen Personal mit einer Schweigeminute.

14:03 Uhr: Anpfiff! Man hört die Jungs rufen, jeder Pass wird von einem „Plopp“ des Balls begleitet. Die Ersatzspieler sitzen auf den VIP-Plätzen hinter den Auswechselbänken. In der 4. Minute ist es dann schon passiert, die Schanzer liegen mit 0:1 durch Timo Kern zurück. Mist! Die Schanzer bemühen sich, aber die technisch starken „kleinen Bayern“ machen ihnen das Leben schwer. Am lautesten hört man tatsächlich FCI-Coach Tomas Oral rufen, der fast heiser seine Jungs nach vorne peitscht. „Komm, komm, komm“ oder „Weiter, weiter, weiter“ ruft er immer wieder, aber seine Mannschaft kommt einfach nicht zwingend vors gegnerische Tor.

14:23 Uhr: Zwanzig Minuten sind um, die Begegnung plätschert so vor sich hin, es fühlt sich für mich mehr wie ein Trainings- als ein Ligaspiel an. Die Sonne scheint, die Temperaturen passen, es könnte eigentlich ein tolles Schanzer Heimspiel sein, aber im Moment läuft einfach zu wenig beim FCI. Würden die Fans jetzt helfen? Keine Ahnung – vielleicht. Die Partie wird unterdessen hitziger, fünf gelbe Karten haben die Schanzer bereits kassiert.

14:47 Uhr: Endlich mal ein schneller Angriff und Eckball für die Schanzer. Gefühlvoll kommt die Kugel vors Tor und unser Kapitän Marcel Gaus haut das Ding ins Netz – Ausgleich! Wichtig, klasse gemacht! Die Torhymne erklingt, dann ist Halbzeit. Puuuh.
1:1, schmeichelhaft, aber egal.

15:01 Uhr: Die Mannschaften kommen zurück auf den Platz, der Schiri pfeift die zweite Halbzeit an. Die Schanzer sind jetzt besser drauf als im ersten Durchgang, trotzdem bleiben die flinken, technisch starken Bayern gefährlich. Nach einer Viertelstunde haben die Ingolstädter die besseren Möglichkeiten, bleiben im Abschluss aber zu harmlos. Irgendwie kommt mir es nun lauter im Stadion vor als in der ersten Halbzeit. Es wird gerufen, angefeuert, auch mal geklatscht – die Ersatzspieler und Vereinsangehörigen machen ein bisschen Stimmung. In der 66. Minute bringt FCI-Coach Tomas Oral Caniggia Elva. Nach einer schönen Kombination trifft der gleich per Kopf ins Tor – stand aber leider zuvor im Abseits. Trotzdem: Inzwischen ist die Partie ausgeglichen, ein kleines bisschen Derby-Atmosphäre kommt auf, das Unentschieden ist momentan gerecht.

15:35 Uhr: Eine gute halbe Stunde ist durch in der zweiten Hälfte, Agy Diawusie kommt für Maxi Beister. Die Partei lief gerade ganz gut für die Schanzer, da kassiert Marcel Gaus Gelb-Rot. Das Spiel geht offiziell noch zwei Minuten, als es einen Freistoß für Bayern gibt. Bitte kein Tor jetzt. Als hätte ich es geahnt: Plötzlich taucht Chris Richards völlig frei auf und köpft den Führungstreffer für den FCB. Keine Chance für Buntic. Scheiße. Unnötig. Dann sind die 90 Minuten sind um, die Nachspielzeit läuft bereits. Es geht nichts mehr. Schlusspfiff. Erstes Geisterspiel, erste Niederlage.

16:00 Uhr: Die Jungs laufen aus. Gleich soll die Pressekonferenz losgehen. Natürlich virtuell. Man sieht bislang nur den leeren PK-Raum, hört Stimmen. Es ist komisch, auf der Pressetribüne zu sitzen, statt vor Ort dabei zu sein. Es wird langsam kühl. Die Musik im Stadion ist aus, wir warten. Da kommen die beiden Trainer. Sebastian Hoeneß hat das erste Wort. Sein Fazit: „Wir gehen als glücklicher Sieger vom Platz.“ Dann ist Tomas Oral dran. „Das Ergebnis ist sehr bitter. Wir hätten einen Punkt verdient gehabt.“ Finde ich auch. Ich gehe mit den Kollegen raus aus dem Stadion und nehme – endlich – die Maske ab.

Und mein Fazit? Einerseits ist es toll, dass wieder gekickt wird – aber dass heute ein Derby auf dem Rasen ausgetragen wurde, hat man nicht gemerkt. Ohne Fans, ohne Stimmung im Stadion macht ein Fußballspiel nur halb so viel Spaß. Man kann nur hoffen, dass die Anhänger bald wieder dabei sein dürfen!

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