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Interview mit Christian Scharpf

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Interview mit Christian Scharpf

Christian Scharpf fordert den politischen Neuanfang in Ingolstadt. Mit 17 trat er in die SPD ein, mit 48 will der dreifache Vater den amtierenden Oberbürgermeister Christian Lösel vom Thron stoßen. Die Wahl naht. Die Stichwahl auch?

Herr Scharpf, seit unserem letzten Interview liegen 6 Monate Wahlkampf hinter Ihnen. Eine anstrengende Zeit?
Es war eine intensive Zeit mit vielen Erfahrungen und Begegnungen, die mir Spaß gemacht hat und die ich nicht missen möchte. Wir haben zum Beispiel die Ortsteiltour durch die Stadtteile gemacht. Auch außerhalb der offiziellen Termine habe ich viele bereichernde Gespräche geführt mit Menschen aus der Stadtgesellschaft über Kirchenvertreter bis hin zu Sozial- und Wirtschaftsverbänden.

War etwas besonders fordernd?
Wenn man im Wahlkampf auf OB-Kandidaten trifft, die zum Teil schon jahrzehntelang im Stadtrat sitzen, ist das natürlich eine Herausforderung. Das lässt sich aber bewerkstelligen.

Gab es Überraschungen im Wahlkampf?
Überraschend war, wie eng Politik und Gesellschaft in Ingolstadt miteinander verflochten sind – mit Bekanntschaften und Freundschaften. Das erschreckt mich teilweise auch ein wenig. Die Auswirkungen sieht man am Lehmann-Prozess. Politik und Verwaltung sind das eine, geschäftliche Interessen das andere, das muss streng auseinander gehalten werden. Zu große Nähe von verantwortlichen Politikern mit Geschäftsleuten und Vertretern der Wirtschaft finde ich dann problematisch, wenn die Grenzen verschwimmen. Das passiert in Ingolstadt leider zu oft. Man duzt sich vorschnell, es ist zu viel persönliche Nähe vorhanden. Deswegen sehe ich es mittlerweile als Vorteil an, hier nicht schon seit Jahrzehnten politisch aktiv zu sein, sondern unbelastet an die Sache von außen herangehen zu können.

Wie haben Sie vom Facebook-Posting von CSU-Stadtrat Hans Achhammer erfahren?
Ich habe es auf Facebook gesehen.

Und die erste Reaktion?
Schon ein bisschen entsetzt. Auch, dass die CSU selbst so wenig Gespür hat. Man muss doch sehen, dass es ein unmögliches Bild abgibt, wenn der OB mit dem Gewehr zu sehen ist und drunter steht „Unser OB schießt Schar(p)f“. In einer Zeit, in der der Kassler Regierungspräsident Lübcke ermordet worden ist oder Kommunalpolitiker tätlich angegriffen werden. Ich versteh natürlich auch Spaß, aber mich hat das von Herrn Achhammer verwundert, weil es überhaupt nicht sein Stil ist. Er hat mich aber persönlich direkt in der Früh angerufen und sich persönlich bei mir entschuldigt. Jetzt ist es auch wieder gut. Die Empörung in den Sozialen Medien war mir zu viel. Ich wollte es nicht für Wahlkampfzwecke ausnutzen, auch weil Herr Achhammer sich wirklich aufrichtig entschuldigt hat.

In der ersten Forsa-Umfrage erreichten Sie ein Ergebnis von 15 Prozent, Herrn Lösel konnten sich mit 33 Prozent mehr als doppelt so viele als Oberbürgermeister vorstellen. Haben Sie eine realistische Chance, falls es zur Stichwahl kommt?
Ich denke, ja. Umfragen sind Umfragen, das muss man auch dazu sagen. 19 Prozent der Wähler waren noch unentschlossen. Aber wenn der Amtsinhaber von 52 Prozent auf 33 Prozent abstürzt, ist das schon eine Hausnummer. Man muss auch sagen, dass sich die Stimmen bei 9 OB-Kandidaten sehr stark verteilen. Für mich war entscheidend, auf Platz 2 zu landen, die Stichwahl ist absolut realistisch bei dieser Wahl. Wenn es zur Stichwahl kommt, strebe ich ein breites Bündnis der Willigen an. Viele der anderen OB-Kandidaten haben bereits angekündigt, bei einer Stichwahl den Gegenkandidaten von OB Lösel unterstützen zu wollen. Sollte ich das sein, bin ich zuversichtlich, dass wir ein breites Bündnis für einen politischen Neuanfang hinbekommen.

Trotzdem gibt es mit den Wählern der FW, AfD und FDP viele, die sich eventuell eher für Herrn Lösel entscheiden.
Ich befürchte auch, dass das Ergebnis der AfD noch nicht das Ende der Fahnenstange war. Ich denke, es werden eher 10 als 7 Prozent. Das starke Abschneiden der Freien Wähler hat mich überrascht. In der Stadtgesellschaft ist vielleicht noch nicht so bekannt, dass es mit der UDI als Abspaltung der FW eine weitere bürgerliche Gruppierung mit Persönlichkeiten wie Mißlbeck und Werding gibt. Die UDI wird vielleicht am Ende doch noch ein paar mehr Stimmen auf sich ziehen, als in der Umfrage.

Die Vorgänge in Thüringen haben Sie sicher verfolgt. Können Sie sich eine ähnliche Situation für Ingolstadt vorstellen?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe immer gesagt, ich mache das Suchen und Finden von Mehrheiten nicht von der AfD abhängig. Ich wünsche mir die selbe klare Aussage auch von der CSU. Im letzten OB-Kandidaten-Hearing beim Donaukurier habe ich Herrn Lösel aber schon so verstanden, dass er das auch so sieht.

Auch im OB-Hearing im Pius-Viertel sagte Herr Lösel „Keine Koalition mit der AfD“. Worauf ich eigentlich hinauswollte: die Wahl des 2. und 3. Bürgermeisters könnte schwierig werden. Eventuell braucht man hier die AfD?
Die soll man genau nicht brauchen. Dass man keine Koalition mit der AfD eingeht, ist klar. Die Frage ist, ob man es wie in Thüringen geschehen lässt und sich einfach wählen lässt. Oder ob man aktiv vorher schon andere Mehrheiten organisiert. Man muss die Wahl der Bürgermeister vorher absprechen, dann sollte so ein Fall wie Thüringen auch nicht passieren.

Die AfD könnte Fraktionsstärke erlangen und damit in den einzelnen Ausschüssen sitzen. Wie wird die Arbeit der SPD mit der AfD aussehen?
Ich gebe jedem die Hand, es wird jeder begrüßt und ich spreche natürlich auch mit jedem. Die AfD ist eine Partei, die ich zwar für demokratisch fragwürdig halte, aber sie ist nicht verboten und von den Bürgern gewählt. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Deswegen werde ich auch nicht das Gespräch verweigern, das macht man einfach nicht in einem Stadtrat. Was die Zusammenarbeit betrifft, höre ich mir natürlich an, was sie zu sagen haben. Für mich ist die AfD aber kein Partner, mit dem ich eng zusammenarbeite. Dafür suche ich mir andere im Stadtrat.

Welche 3 größten Probleme sehen Sie in Ingolstadt und welche Lösungsansätze hat die SPD dafür?
Der Verkehr ist ein Riesenproblem. Man hat es über Jahrzehnte versäumt, den ÖPNV auszubauen. Wir haben neben den Bussen keine alternativen Massenverkehrsmittel und die Busse haben eine zu geringe Taktfrequenz. Ein S-Bahn-ähnliches System, wie man es jetzt erst prüft, hätte man schon viel früher angehen müssen. Die Stadt wächst ständig, in den letzten 30 Jahren um fast 40.000 Einwohner. Es ist wahnsinnig viel Zeit vertan worden.

Aus Schienentrassen wurden mancherorts Radwege. Rückwirkend gesehen ein Fehler?
Vielfach war es tatsächlich ein Fehler. Vielfach sind Trassen aber auch noch erhalten, dort kann man Gleise wieder verlegen. Wir haben 64.000 Einpendler pro Tag. Die meisten fahren mit dem Auto, weil es mit dem Zug einfach nicht geht. Diesen Leuten muss man etwas anbieten.

Beim ÖPNV wird mit vielen kleinen Schritten versucht, ihn besser zu machen. Müsste man den groben Dampfhammer auspacken, um eine wirkliche Attraktivitätssteigerung zu erreichen? Zum Beispiel durch einen kostenlosen ÖPNV.
Ein kostenloser Nahverkehr klingt immer attraktiv, aber meines Erachtens nach geht eine Attraktivitätssteigerung über das Angebot, nicht über den Preis. Wenn das Angebot stimmt und die Bürger davon überzeugt sind, dass ich mit dem ÖPNV schneller und bequemer ans Ziel komme, steigen sie auch freiwillig um. Ich will niemanden belehren – wer Auto fahren will, soll das tun. Ich möchte den ÖPNV massiv ausbauen, das widerspricht sich, wenn ich ihn gleichzeitig kostenlos machen will. Beides zu vereinbaren ist schwierig. Dennoch gibt es natürlich Stellschrauben. Für Schüler kann man die Mindestentfernung von 2 Kilometern abschaffen. Schüler, Kinder und Jugendliche sollen die Karte auch in den Ferien benutzen können. Darauf wurde mir erst kürzlich vom OB entgegengehalten, dass der Freistaat dann keine Zuschüsse dafür zahlt. Ja und? Da muss die Stadt einfach mal Geld in die Hand nehmen.

Welches Problem hat Ingolstadt noch?
Das wäre das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“. Ich erkenne an, dass die GWG in Ingolstadt tatsächlich sehr rührig ist. Mit den beiden Sonderbauprogrammen wurde viel getan. Was die Stadt aber überhaupt nicht gemacht hat, war die Instrumente anzuwenden, die ihr sonst noch zur Verfügung stehen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das ist zum einen das Instrument der sozialgerechten Bodennutzung. Einen Investor, wie beispielsweise beim Rieter-Gelände, kann man damit verpflichten, einen gewissen Anteil an sozialgebundenem Wohnraum zu schaffen.

Und das wurde am Rieter-Gelände versäumt?
Das ist vom Investor jetzt wohl freiwillig angeboten worden. Aber dieses Instrument wird in Ingolstadt einfach nicht flächendeckend angewendet. Wenn jemand ein Grundstück wie das Rieter-Gelände kauft – das zuvor Industriefläche war – und von der Stadt Baurecht bekommt, geht damit eine massive Grundstückswertsteigerung einher. Für diese Steigerung muss er meiner Meinung nach bereit sein, etwas für bezahlbaren Wohnraum zu tun. Andere Städte wie Augsburg, Nürnberg und München wenden dieses Instrument auch an. Ingolstadt sollte es ebenfalls viel stärker zum Einsatz bringen.

Wo gibt es noch Verbesserungspotenzial?
Es geht nicht, dass die Stadt Grundstücke an Meistbietende veräußert. Das wurde vielfach gemacht. Es ist nicht Aufgabe einer Kommune durch Grundstücksverkäufe Gewinne zu erwirtschaften. Die Stadt hat eh wenige Grundstücke zur Verfügung und wenn sie welche hat, dann soll sie diese an diejenigen veräußern, die sich bereiterklären, sozialgebundenen Wohnraum zu schaffen. Also z.B. durch sogenannte Konzeptausschreibungen an Genossenschaften oder Baugemeinschaften.

Sollte die Stadt überhaupt verkaufen?
Wenn es irgendwie geht, sollte man schauen, ob man Grundstücke nicht auf Erbpachtbasis vergibt. Dann bleiben die Grundstücke im kommunalen Bestand erhalten und fallen auch irgendwann wieder ins Eigentum der Stadt zurück.

Welches Instrument gibt es neben der sozialgerechten Bodennutzung noch?
Ein weiteres Instrument ist die Erhaltungssatzung, diese wird in Ingolstadt auch noch nicht angewendet. Eine Dame aus dem Pius-Viertel hat mir erst erzählt, dass sie in einem Wohnblock aus den 60er Jahren wohnt und für 50 qm kalt 520 Euro zahlt. Das sind über 10€/qm in einem Wohnblock aus den 60ern. Sie sagte, in den letzten 20 Jahren gab es drei Eigentümerwechsel, jeder hat ein bisschen was erneuert und die Gelegenheit genutzt, um die Miete zu erhöhen. In solchen Fällen würde ich die Erhaltungssatzung zum Einsatz bringen und der Stadt so bei einem Eigentümerwechsel ein Vorkaufsrecht einräumen. Man könnte es in den Bestand der GWG eingliedern, um die Mieten bezahlbar zu halten. Damit ist auch das Umwandlungsverbot verknüpft. Jemand, der eine solche Immobilie erwirbt und Eigentumswohnungen daraus machen will, braucht eine Genehmigung der Stadt.

Gibt es die Erhaltungssatzung in Ingolstadt?
Die ist im Baugesetzbuch vorgesehen und kann zur Anwendung gebracht werden. Das wird aber nicht gemacht.

Wäre die Einführung eines Mietspiegels sinnvoll?
Die Situation hat sich durch den Antrag der SPD in der großen Koalition verbessert. Der Betrachtungszeitraum für Durchschnittsmieten wurde von 4 auf 6 Jahre verlängert. Durch den größeren Betrachtungszeitraum sinkt das Mietniveau. Wir sollten den Mietspiegel auch in Ingolstadt einführen.

Verkehr und Wohnraum, wo liegt Ihrer Meinung nach das dritte große Problem in Ingolstadt?
Eigentlich sind es vier, die Stadtgestaltung möchte ich noch kurz einschieben. Die Altstadt hat Nachholbedarf in der Nord-Süd-Achse. Dort steckt enormes Potential. Was mich aber wirklich stört ist diese banale und einfallslose Investorenarchitektur. Die Altstadt ist insgesamt gesehen ein echtes Schmuckkästchen, aber kaum fährt man raus…

Haben Sie ein Beispiel?
Das Schlachthofgelände finde ich schrecklich. Das könnte in jedem Gewerbegebiet stehen. Ähnlich ist es auch beim Gießereigelände mit der Audi-Akademie. Die Architektur passt nicht als Entrée zur Altstadt. Ich hätte mir hier mehr Mut und Einfallsreichtum gewünscht. Klar, die Stadt ist stark gewachsen, aber man muss aufpassen, dass wir sie nicht verschandeln.

Jetzt zum dritten großen Problem.
Die Sozialpolitik, gerade im Senioren- und Pflegebereich. Ich habe mit Fachkräften aus dem Geriatriezentrum gesprochen. Dort hieß es, wenn sie jemanden entlassen, gibt es in Ingolstadt keine Stelle, an die man sich wenden kann, um zu klären, wie es weiter geht, wenn jemand weiterhin zu Hause wohnen bleiben möchte. Es gibt keine aufsuchende Sozialarbeit in Ingolstadt. Ich möchte ein Alten- und Service-Zentrum als Anlaufstelle schaffen, wo konkrete Hilfe bei der Organisation des Alltags angeboten wird. Früher gab es das Projekt der Mobilitätshelfer, mit dem man Ehrenamtliche z.B. für Arztbesuche und zum Einkaufen koordiniert hat. Das hat, glaube ich, 200.000 Euro gekostet und wurde dann eingestampft. Ingolstadt ist eine reiche Stadt und die aufsuchende aktive Sozialarbeit ist ein wichtiger Punkt, in dem wir uns stärker einbringen müssen. Das gilt auch für den Jugendbereich. Dort wurde die aufsuchende Jugendarbeit auch abgeschafft – also die Streetworker.

Die Kammerspiele sind weiterhin Thema. Sie werfen der CSU Geheimniskrämerei vor. Doch durch die Vergabeverordnung darf man zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Informationen herausgeben.
Es gibt ein Vergabegremium mit Vertretern der Opposition. Dort könnte man wenigstens die Rahmenbedingungen ansprechen. Veröffentlichen geht nicht, das stimmt schon. Der Stadtrat geht von 30 Millionen aus, es werden aber wohl mehr werden. Wenn man jetzt schon weiß, dass es 40 oder 50 Millionen Euro werden, dann muss politisch offen diskutieren, ob wir uns das leisten wollen oder nicht.

Ein heißes Eisen, das kurz vor der Wahl keiner angreift.
Das heißt ja nicht, dass ich Ergebnisse des Gutachtens preisgeben muss, aber die politische Diskussion muss geführt werden. Im Prinzip versteckt man sich hinter den Formalien, weil man die Debatte nicht führen will – bis zur Wahl.

Angenommen Sie werden Oberbürgermeister: die CSU bleibt wahrscheinlich die stärkste Fraktion. Lässt sich das miteinander vereinbaren?
Absolut. Ich habe immer betont, dass ich mit allen Fraktionen und Gruppierungen im Stadtrat zusammenarbeiten möchte. Das gilt natürlich auch für die CSU. Anders als beim Bundeskanzler wird der Oberbürgermeister vom Volk direkt gewählt. Es kommt oft vor, dass der OB nicht aus der stärksten Fraktion stammt.

Wann sind Sie in die SPD eingetreten?
Mit 17. In über 30 Jahren Mitgliedschaft hadert man natürlich auch mit seiner Partei. Immer, wenn es mich richtig genervt hat, habe ich mich an die Gründe erinnert, warum ich eingetreten bin. Das war schon ein Grund, warum ich mir sagte, dass es immer noch passt. Aber mit jedem Parteivorsitzenden der letzten 30 Jahre war ich nicht immer so einverstanden.

Wann hat die SPD es Ihnen schwer gemacht?
Die Agenda-Reformen belasten uns immer noch. Man muss aber auch die damalige Zeit mit über 5 Mio. Arbeitslosen sehen. Wirtschaftlich standen wir als der kranke Mann Europas schlecht da. Ich hielt es damals für richtig, die Reformen in Angriff zu nehmen. An vielen Stellen war es aber einfach zu drastisch. Das hat selbst eine Partei wie die SPD fast zerrissen. Die SPD hat sich dann aber selbst niedergemacht und es nicht mehr als historischen Verdienst angesehen, das Land in einer ganz schwierigen Situation ein Stück vorangebracht zu haben. Frau Merkel lebt heute noch von diesen Reformen, in punkto Arbeitsmarktreform hat sie gar nichts mehr gemacht und auch nichts mehr machen müssen, weil die SPD schon die „Drecksarbeit“ erledigt hatte.

Gab es Situationen in Ihrem Leben, die Sie als Mensch geprägt haben?
Mein Großvater hat mich sehr geprägt. Er war Jahrgang `22 und wurde mit 19 eingezogen, um im 2. Weltkrieg zu kämpfen. Er hat mir in meiner Jugend viel über sein Leben erzählt, das war auch ein Grund, warum ich zur SPD gegangen bin.

War Ihr Großvater politisch engagiert?
Nein, er war nur zeitweise Mitglied in der SPD. Mein Großvater ist mit 19 als einfacher Soldat direkt an die Ostfront gekommen. Er hat sehr plastisch erzählt, wie Menschen direkt neben ihm buchstäblich verreckt sind – man muss es so drastisch sagen. Man kann es sich überhaupt nicht mehr vorstellen, aber diese Erzählungen haben mich wahnsinnig geprägt. Helmut Schmidt hat von der „Scheiße des Krieges“ gesprochen. Wenn ich das mit den Erzählungen meines Großvaters spiegle, trifft es das ganz gut. Wenn dann die SPD 1933 als einzige Partei gegen das Ermächtigungsgesetz von Hitler gestimmt hat, komme ich zum Schluss, dass sie auf der richtigen Seite standen.

2x im Jahr gehen Sie ins Kloster. Klappt das noch?
Letztes Jahr habe ich es wegen des Wahlkampfs nur einmal geschafft. Dieses Jahr nehme ich es mir ganz stark vor. Es ist wichtig 1-2x pro Jahr wieder zu sich zu kommen. Damit man sich nicht zu heiß läuft.

Aber ein Schweigegelübde gibt es nicht?
Nein, man nennt es Kloster auf Zeit und lebt eine Woche mit den Mönchen. Man ist bei den Stundengebeten dabei, es gibt Vorträge und 2x am Tag geistliche Impulse. Ich mache das seit 2013.

Wenn Sie nur einen einzigen Satz hätten, um die Wähler von der SPD zu überzeugen, wie würde er lauten?
Wir wollen in Ingolstadt den politischen Neuanfang.

Warum?
Es gab in den letzten 6 Jahren kein Miteinander, der Stadtrat ist heillos zerstritten. Mir fehlt der Glaube daran, es in den nächsten 6 Jahren unter Christian Lösel besser werden wird. Die Mitarbeiter der Verwaltung sind keine Fußabstreifer. Die Politik der Ingolstädter CSU ist von oben herab und von einem kleinen Führungszirkel geprägt. So kann man keine Großstadt führen. Dafür haben wir Referenten – damit diese sich um ihren Tätigkeitsbereich kümmern und politisch verantwortlich sind. Man kann dabei nicht ständig hineinregieren. Hinzu kommt, dass wegen des Lehmann-Prozesses und anderer Vorkommnisse die Angst umgeht. Die Verantwortung wird jetzt auf die Referenten delegiert, die geben es an den Amtsleiter weiter und der an den Sachgebietsleiter und der will die Entscheidung schließlich auch nicht treffen.

Angenommen es würde für Sie nicht zum OB reichen, welche Pläne verfolgen Sie?
Ich werde im Stadtrat politisch mitarbeiten, in welcher Funktion auch immer. Ob es der Fraktionsvorsitz wird, entscheidet die neue Fraktion. Ich kann auch jetzt noch nicht sagen, ob ich als weiterer Bürgermeister zur Verfügung stehe. Das kommt auf die neue Zusammensetzung des Stadtrats an und wer die handelnden und führenden Personen sein werden. Aber ich habe schon vor, meinen „beruflichen Schwerpunkt“ darauf zu setzen.

Herr Scharpf, wir danken für das Gespräch.

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