Das „Nie wieder“ wird brüchig

Home » Das „Nie wieder“ wird brüchig

Das "Nie wieder" wird brüchig

Oberbürgermeister Michael Kern liest aus Erich Kästners Tagebuch | Fotos: Sebastian Birkl

Heute vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Zum Tag der Befreiung veranstaltet die Stadt Ingolstadt gemeinsam mit dem Stadttheater Ingolstadt eine Marathon-Lesung. Gelesen wird „Das Blaue Buch“ von Erich Kästner. Neben Oberbürgermeister Michael Kern war auch Oberst Jochen Gumprich einer der Vortragenden.

„Das Blaue Buch“ ist das geheime Tagebuch Erich Kästners. Er hielt es zwischen den vielen anderen Büchern seiner Bibliothek versteckt. In den Jahren 1941, 1943 und 1945 berichtet Kästner darin von den Grauen der Front, von Heeresberichten und Massenexekutionen, aber auch von den Witzen über die NS-Führung.

Zum Auftakt der Lesung richtet OB Kern einige Worte an die rund 40 im Stadttheater anwesenden Gäste. Das Stadtoberhaupt erinnert an das Stück „Fahrenheit 451“, das kürzlich Premiere im Theater feierte. Das Lesen und Besitzen von Büchern ist in dem Stück, das auf einem Roman von Ray Bradbury basiert, ein Verbrechen. Die Bücher werden von einer „Feuerwehr“ gesucht und verbrannt. Zwanzig Jahre vor Erscheinen des Romans war dies traurige Realität in Deutschland, erinnert Kern. 

Zahlreiche Schaulustige zogen die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 an. Unter ihnen: Erich Kästner, der dabei zusehen musste, wie seine eigenen Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt wurden. Er habe sich aber auch in den Kriegsjahren nicht vom Schreiben abhalten lassen, erinnert Kern. Ein Ergebnis davon: Das Blaue Buch.

Oberst Jochen Gumprich

An einer Rede kommt man am Gedenken des 8. Mai nicht herum. Es ist die Rede von Richard von Weizsäcker, in der er den Deutschen ihre kollektive Verantwortung für die NS-Verbrechen vor Augen führte. Auch OB Kern erinnert an Weizsäckers Worte – in diesen Tagen sind sie so wichtig wie selten zuvor. Kern spannt aber auch direkt den Bogen zur heutigen Zeit. Er verweist auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die damit einhergehende Sorge, die nun viele umtreibt: Weitet sich der Krieg weiter aus? Auch die vermeintlich „woken Hochschulen“, die in den USA aktuell verstärkt unter Druck geraten, nimmt OB Kern in seiner Rede auf.

„Erinnerungskultur in einer Demokratie ist unabdingbar“, sagt Kulturreferent Marc Grandmontagne. Das Wissen über NS-Verbrechen, aber auch der Wille zum Gedenken nehme stetig ab. Letzteres unterstreicht er mit Inhalten aus der kürzlich erschienenen MEMO-Studie. 38,1 Prozent der Befragten fordern darin einen „Schlussstrich“ unter die NS-Zeit zu ziehen. Fremdenfeindlichkeit und Hass gewinne wieder an Boden, so Grandmontagne, das „Nie wieder wird brüchig“. „Die Erinnerung muss lebendig bleiben“, fordert er. Wie dies aussehen könne, müsse immer wieder neu verhandelt werden. Die Kunst könne dabei helfen.

Im Anschluss machte OB Michael Kern den Auftakt mit der Lesung aus dem Blauen Buch. Es folgte Kulturreferent Marc Grandmontagne und Oberst Jochen Gumprich. Weitere Vortragende aus der Stadtgesellschaft folgen. Die Marathon-Lesung im Stadttheater dauert bis etwa 17.30 Uhr.

Weitere Themen

Bekommt Ingolstadt einen neuen Biergarten?

Die frühere Außengastronomie zwischen Hoher Schule und Georgianum war ein beliebter Treffpunkt – mit ganz besonderem Flair inmitten historischer Gebäude. Nach langer Pause ist nun eine Wiederbelebung geplant. Ein Konzept wird derzeit erarbeitet.

Weiterlesen »

Donauschwimmen mit „After-Swim-Party“

Auch heuer findet das traditionelle Ingolstädter Donauschwimmen statt. Start ist am Samstag, 28. Juni, um 11 Uhr am alten Messpegelhaus an der Luitpoldstraße. Das Ziel ist die Donaubühne, einen Kilometer flussabwärts.

Weiterlesen »

Friedenspreis geht nach Ingolstadt

Gute Nachrichten für die Region: die Ingolstädter Regie-Brüder Kevin und Toby Schmutzler erhalten den Friedenspreis des Deutschen Films für ihren deutsch-kenianischen Film „NAWI: Dear Future Me“.

Weiterlesen »

Inklusives Dinner in Weiß

Das inklusive Dinner in Weiß ist ein großes, fröhliches Picknick auf dem Theatervorplatz. Am Samstag, 28. Juni, um 18 Uhr, sind alle Bürgerinnen und Bürger herzlich dazu eingeladen. Unter freiem Himmel und in entspannter Atmosphäre setzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam ein Zeichen für gelebte Inklusion und den Austausch in einer vielfältigen Stadtgesellschaft.

Weiterlesen »

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit. Ut elit tellus, luctus nec ullamcorper mattis, pulvinar dapibus leo.

Nach oben scrollen