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Interview mit Christian Lösel

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Interview mit Christian Lösel

Foto: Schrägformat Fotografie

Wenn Christian Lösel das Amt des Oberbürgermeisters von Ingolstadt erneut erringen will, muss er sich dieses Mal gegen acht weitere Bewerber durchsetzen. Die Umfragewerte sind solide, die Zeiten der Alleinherrschaft der CSU sind aber definitiv gezählt. Eine Stichwahl scheint dieses Mal unvermeidbar. Christian Lösels erste Amtszeit war eine echte Feuertaufe. Nicht selten wirkte das Stadtoberhaupt abgekämpft und von den Strapazen gezeichnet, die seinen Politalltag bestimmten. Ingolstadt ging durch eine Phase der Reinigung, einige Altlasten mussten beseitigt werden, die sich vor und teilweise zu Lösels Zeiten angesammelt hatten. espresso traf Christian Lösel zum persönlichen Gespräch kurz vor der Wahl. Er spricht über die Schattenseiten des Oberbürgermeisterdaseins, den richtigen Führungsstil und die Vereinbarkeit von Umweltschutz und Wirtschaft.

Herr Lösel, eine anstrengende Legislaturperiode liegt hinter Ihnen. Wie blicken Sie auf die letzten 6 Jahre zurück?
Ich habe eigentlich zwei Amtszeiten hinter mir. Die eine Amtszeit, in der ich die Vergangenheit und auch die Fehler, die vor meiner Zeit gemacht worden sind, bereinigt, aufgeklärt, abgestellt und neue Strukturen, Prüfungszyklen, Prüfungsmechanismen und Berichtswesen eingeführt habe. Dieser Aufgabe habe ich mich mit voller Kraft gewidmet. Sowohl in den Gremien als auch innerhalb des Rathauses und seiner Strukturen. Ich habe außerdem eine zweite Amtszeit hinter mir mit großen Erfolgen für unsere Heimatstadt. Sowohl im Wohnungsmarkt mit 1.600 neuen geförderten Wohnungen und dem Sonderbauprogramm 1 und 2, beim ÖPNV mit dem neuen Audi Bahnhalt, Planungen für den Hauptbahnhof, dem ersten 10-Minuten-Takt im ÖPNV, neuen Tangentiallinien und der Umstellung 75 Prozent aller Busse auf hybrid-elektrisch. In der Wirtschaft mit der Förderung neuer Technologien für Arbeitsplätze und der Vereinbarkeit von Arbeitsplatzausbau und Klimaschutz als ein Paket. Im Bereich der Bildung mit der Verdopplung der THI und der Katholischen Universität und dem Ausbau der beruflichen Bildung in den Berufsschulen.

Die Liste der Erfolge ist lang. Umso anstrengender müssen die letzten Jahre gewesen sein. Wie wirkt sich das auf Sie persönlich aus?
Man wird sehr schnell grauhaarig. Man hat kaum Zeit für die Familie. Und es mangelt erheblich am Sport. Man sieht‘s mir ja an, das weiß ich selber. Auf den Wahlplakaten vor der letzten Wahl 2014, da war ich noch dunkelhaarig und hatte fast 6 – 7 Kilo weniger. Aber es ist so, ich habe den Job gewählt und mache ihn auch sehr gerne.

Sie könnten auch hinschmeißen und ein entspannteres Leben führen. Warum tun Sie sich das an?
Mir macht es sehr viel Spaß, für die Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten. Und ich nehme die mir gestellten Herausforderungen an. Das habe ich schon immer in meinem Leben so getan. Jedoch könnte ich mir deutlich einfachere Situationen vorstellen und wünsche mir sie auch für eine kommende Amtszeit. Die nächste Amtszeit darf nicht so werden wie diese. Es begann 2015 im März mit der Flüchtlingskrise. In der Sommerpause 2015 sind wir schon auf dem Zahnfleisch gegangen. Da war ich ein Jahr im Amt. Dann kamen die Steuerprobleme in der Stadtverwaltung. Da habe ich das erste Mal aufgeräumt. Danach kam Anfang 2016 das Thema Klinikum, dann das Thema Lehmann und dann das Heilig-Geist-Spital. Andere Leute hätten vielleicht alles hingeschmissen. Ich bin stehen geblieben, unter enormer Belastung und habe aufgeräumt. Unsere Stadt rutscht durch die Krise durch, ohne große Defizite hinnehmen zu müssen. Es gibt ein bisschen mehr Arbeitslose, aber auch nicht dramatisch. Ich will, dass es weiter Hoffnung gibt für die Bevölkerung, in allen Bereichen. Dafür trete ich erneut an.

Und Sie haben noch die nötige Kraft für eine weitere Amtszeit?
Wir haben gerade in den letzten zweieinhalb Jahren noch mal so richtig Gas gegeben mit neuen Themen. Und ich habe noch ein großes Programm, das ich mir selber auferlegt habe.

Wie gehen Sie mit Kritik um? Nehmen Sie sie sich zu Herzen oder prallt das alles an Ihnen ab?
Kritik prallt nie ab. Berechtigte Kritik nehme ich an, unberechtigte Kritik empfinde ich als ungerecht. Natürlich gibt es Dinge, die man an mir kritisieren kann, die ich auch selber an mir kritisiere.

Was kritisieren Sie selbst an sich?
Ich muss in Zukunft bei emotional aufgewühlten Themen die Stadträte zu mehr Sachpolitik auffordern. Ziel ist ein sachliches und gemeinsames Miteinander zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger.

Wie schaffen Sie sich einen Ausgleich zum OB-Job?
An Sonntagen gehe ich gerne Radelfahren. Ich setze mich dann früh am Morgen aufs Fahrrad und fahre nach Augsburg, München oder Regensburg, das sind meine Lieblingsstrecken. Wenn ich mittags dann wieder zurück bin, mache ich gerne noch mit meiner Familie eine kleine Radeltour. Das mache ich ab und zu, wenn ich am Sonntag keine Termine habe.

Und unter der Woche, bleibt da noch Freizeit?
Keine Chance. Ja, ich gehe ins Fitnessstudio, aber das bringt aufgrund der jeweiligen Kürze auch nicht wirklich etwas. Das Radelfahren ist die Aktivität, bei der ich wirklich abschalten kann.

Gibt es überhaupt einen Feierabend bei Ihnen?
Nein. Üblicherweise endet der Tag um 21 Uhr. Es ist aber regelmäßig auch so, dass Termine bis 22.30 Uhr dauern. Es gab auch schon Termine, die um 1 Uhr nachts geendet haben. Gerade als das Klinikum Thema war, gab es öfter Sitzungen, die bis spät abends gegangen sind. Und dann auch Samstage und Sonntage durch. Die Flüchtlingskrise haben wir hier an den Wochenenden zusätzlich durchgesteuert. Übrigens auch mit vielen Mitarbeitern, das möchte ich auch dazu sagen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren hier Samstage und Sonntage drin, um Flüchtlingsthemen, Klinikum usw. aufzuarbeiten. Das ist nicht nur für mich mehr Arbeit da gewesen, sondern für alle.

Wie geht ihre Familie damit um?
Die Kinder würden sich schon wünschen, dass ich öfters da bin. Das sagen sie auch ab und zu. Aber sie haben immer Verständnis.

Ihre Gegenkandidaten wünschen sich ein besseres Klima im Stadtrat. Einige nennen Ihren strikten Führungsstil als Grund für das schlechte Klima. Sie wünschen sich mehr Offenheit von einem Oberbürgermeister, auch für andere Meinungen. Eine parteiübergreifende Zusammenarbeit. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?
Unsere Stadt entwickelt sich sehr dynamisch. Und es gibt sehr viele Aufgaben, die sehr schnell für die Bürgerinnen und Bürger erledigt werden müssen, weil die Bürger sonst Defizite bekommen. Also zu wenige Wohnungen, zu wenige Arbeitsplätze, zu wenige Spielplätze, Baugebiete, etc. Es ist ein besonderes Momentum in dieser Stadtratsperiode gewesen, dass sehr viele Stadtratsbeschlüsse zu fassen waren, bei denen die Bürger sofort einen Mangel gespürt hätten, wenn sie nicht schnell durch- und umgesetzt worden wären. Deshalb haben wir zusammen mit der Verwaltung mehrere Dinge gemacht. Wir haben zum Beispiel die Wertgrenzen verändert, damit schneller durch den Stadtrat bzw. die Ausschüsse beschlossen werden kann. Das muss straff geführt werden. Wenn eine Stadt nicht straff geführt wird, merkt man das nach wenigen Jahren. Ja, man kann mehr kommunizieren und sollte mehr kommunizieren. Dazu müsste aber dann auch der nötige Freiraum geschaffen werden, und nicht permanent Diskussionen um des Kaisers Bart geführt werden.

Welchen Freiraum meinen Sie?
Zeitlichen Freiraum. Wenn eine Stadtratssitzung bereits sechs Stunden dauert, hat kein Stadtrat mehr Lust zu diskutieren. Man müsste sich kürzer fassen und schneller abstimmen. Dann bliebe auch Freiraum für andere Informationen.

Sollte man die Redezeiten beschränken?
Nein, das geht nicht. Die Stadträte müssen sich von sich aus einschränken, und nicht alles fragen, sondern sich stattdessen separat informieren. Es kann mehr informiert werden, dann müssen sich die Stadträte aber deutlich mehr Zeit nehmen. Aber ja, ich führe straff.

Und dazu stehen Sie auch?
Selbstverständlich stehe ich dazu, dass ich diese Stadt straff führe. Weil der Bürger ansonsten irgendwann mal einen Haufen an Defiziten hat, die er an allen Ecken und Enden spürt. Selbstverständlich führe ich straff. Ich bin kein Frühstücksdirektor.

Das zeigten Sie auch, als Sie beim Sozialausschuss kurz vor Weihnachten Bürgermeister Sepp Mißlbeck (UDI) durch ihren Parteikollegen und zweiten Bürgermeister Albert Wittmann ersetzten und sich damit die Stimmenmehrheit im Ausschuss sicherten. Stehen Sie dazu auch?
Herr Bürgermeister Mißlbeck hat eine Verwaltungsvorlage unseres Spitzenreferenten für Recht nicht mitstimmen wollen, die absolut berechtigt war. Er sitzt aber im Ausschuss auf meinem Sitz. Er hat mich zu vertreten. Und wenn er sagt, dass er nicht so stimmt wie ich, dann muss ich ihn ablösen.

Die Aktion brachte Ihnen einiges an Kritik ein. Und das kurz vor der Wahl. War das schlau?
Es ist schwer, das nach außen zu vermitteln. Aber Bürgermeister Mißlbeck hat mein Stimmrecht im Ausschuss. Ich delegiere an Wittmann, Wittmann an Mißlbeck. Im Stadtrat ist es anders. Da hat Bürgermeister Mißlbeck sein eigenes Stimmrecht. Aber im Ausschuss vertritt er mich. Ich würde es aber heutzutage nicht mehr machen, weil das ganze Thema ein klassischer Rohrkrepierer ist.

Bei der ersten Forsa-Umfrage des Donaukurier erhielten Sie 33 Prozent, die CSU 36 Prozent. Können Sie mit diesem Ergebnis zufrieden sein?
Die CSU hat einen bayernweiten Trend von 36 Prozent. Die Großstädte liegen eigentlich deutlich darunter. Dass wir in der Forsa-Umfrage 36 Prozent bekommen haben, halte ich für normal. Die Anzahl der OB-Kandidaten ist dieses Mal außerordentlich hoch. Wenn es in Zukunft noch mehr Kandidaten gibt, dann ist eine Stichwahl grundsätzlich unvermeidbar, egal wer antritt. In anderen Städten geht die Anzahl der Kandidaten wieder zurück, weil man gesehen hat, dass das nicht funktioniert. Dieses Problem hat nicht nur der Favorit, das hat auch jeder andere OB-Kandidat. Wenn von Seiten der Opposition so viele Kandidaten gestellt werden, zeigt das auch die Zerklüftung der Oppostion.

Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Ja, schon, das ist ein erster Wasserstand. Daran müssen wir jetzt arbeiten.

Welchen Koalitionspartner würden Sie sich mit diesen Umfragewerten wünschen?
Wir haben in der Vergangenheit hervorragend mit der FW zusammengearbeitet. Obwohl wir seit drei Jahren keine Mehrheit mehr im Stadtrat haben und seitdem mit wechselnden Mehrheiten gearbeitet haben. Mal mit der SPD, mal mit den Grünen, mal mit der FDP, mal mit anderen.

Und diesen Zustand können Sie sich auch für die nächste Legislaturperiode vorstellen?
Ich muss abwarten, was das Wahlergebnis bringt, das wäre jetzt Glaskugelleserei. Aber grundsätzlich sind wir offen für alle Varianten mit Parteien, die im bürgerlichen Spektrum sind. Es wird keine Koalition mit der AfD oder den Linken geben, keine radikale Politik, weder rechts- noch linksradikal.

Wie werden Sie mit den AfD-Stadträten umgehen?
Alle bürgerlichen Parteien werden sich die Sachanträge der AfD und der Linken anschauen. Radikale Anträge werden wir nicht mittragen. Bei Sachanträgen prüfen wir, ob sie zustimmungsfähig sind oder nicht. Das müssen wir tun. Um auch Wähler der AfD und der Linken wieder ins bürgerliche Spektrum zu ziehen.

Würden Sie die AfD-Stadträte bei Vorgesprächen mit einbeziehen?
Außerhalb der Gremien der Stadt wird es keinen Kontakt geben. Natürlich lässt sich das nie ganz ausschließen. Wenn es zum Beispiel ein Sommerfest des Stadtrates gibt, wir an einem Tisch zusammen stehen, und es kommt ein AfDler oder Linker dazu, dann kann ich nicht einfach das Gespräch verweigern. Die ganze Sache ist so kompliziert, dass man es nicht darstellen kann. Aber klar ist: Es gibt keine Koalition, keine Absprachen und keine radikale Politik mit der CSU.

Klima- und Umweltschutz ist das große Thema unserer Zeit. In Ihrer Neujahrsansprache haben Sie klar gemacht, dass Umweltschutz wichtig sei, dass er aber keine Arbeitsplätze kosten dürfe. Warum knüpfen Sie Umweltschutz an diese Bedingung?
Wir machen mit vollem Herzen und vollem Verstand Klima- und Umweltschutz. Klimaschutz darf keine Arbeitsplätze kosten, sondern muss dabei helfen, neue Arbeitsplätze zu erzeugen. Das gelingt durch neue, sparsame, effizientere Technologien. Deshalb Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Biotechnikum, Sensortechnik, Verdopplung der Technischen Hochschule, Handwerkerkerhof etc. Das ist die einzige Chance, um sowohl das Klima als auch unsere Arbeitsplätze zu retten. Damit bekommen wir beide Ziele unter einen Hut. Das entspricht dem ganzheitlichen Ansatz der Nachhaltigkeit: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Wenn nicht alle drei Bereiche gleichermaßen erfüllt werden, gibt es riesige Widerstände in der Gesellschaft. Das darf nicht passieren. Mein Ziel ist es, die Gesellschaft im Gesamten mitzunehmen. Und damit alle Bedarfe zu decken.

Ist Ihnen Umweltschutz auch persönlich wichtig?
Für mich ist Umweltschutz eine Herzensangelegenheit, weil ich sehr gerne in der Natur bin. Weil ich eine saubere Natur, eine saubere Umwelt und saubere Luft haben möchte. Und ich habe zwei kleine Kinder, die hoffentlich noch viele Jahrzehnte mit guter Lebensqualität leben können. Ich möchte als liebender Vater meinen Kindern ein Optimum an Lebensqualität hinterlassen. Dazu gehört: Arbeitsplätze und Klimaschutz. Aber auch Bildung und eine schuldenfreie Stadt Ingolstadt.

Welche Ziele haben Sie sich für die nächste Amtszeit gesetzt?
Stabile Mieten, Entlastung des Verkehrs, Ausweitung des ÖPNV, Schutz von Klima und Arbeitsplätzen. Verbesserung der Lebensqualität durch Stadt an der Donau, den Landesgartenschaupark und das Nachhaltigkeitsprojekt „1 Million Bäume“.

Wenn Sie nur einen einzigen Satz hätten, um die Wähler von der CSU zu überzeugen, wie würde er lauten?
Ingolstadt hat große Herausforderungen, die nur durch solide Politik ohne Ideologie gemeistert werden können.

Herr Lösel, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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