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„Ingolstadt wird nicht zum Detroit 2.0“

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"Ingolstadt wird nicht zum Detroit 2.0"

Foto: Stefan Bösl

Interview mit OB-Kandidat Jakob Schäuble (FDP)

Jakob Schäuble (36) steigt für die FDP Ingolstadt als Oberbürgermeister-Kandidat in den Ring. Geboren in Tübingen, aufgewachsen in Rottenburg am Neckar, zog er mit 21 Jahren für sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der WFI nach Ingolstadt. Dafür, dass er erst relativ spät zur Politik fand, ist er aktuell als Vorsitzender des Kreisverbands und als Beisitzer im Bezirks- und Landesvorstand mittendrin. Was kaum einer weiß: der selbsternannte „Bildungsstreber“ blieb in der 8. Klasse sitzen – und lernte so seine spätere Ehefrau kennen und lieben. Mit espresso spricht er über die Herausforderungen unserer Zeit.

Herr Schäuble, Sie sind Dozent an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt. In welchem Bereich?
Wirtschaftsethik und Sozialpolitik.

Kommt Audi dabei vor?
In der Wirtschaftsethik kommt Audi im Bereich Corporate Social Responsibility (unternehmerische Verantwortung, Anm.) vor, ja.

Wie bewerten Sie denn persönlich die Softwaremanipulation?
Das ist ganz einfach. Wir hatten hier eine illegale Manipulation und damit ist das auch zu bestrafen.

Die Auswirkungen des “Dieselskandals” sind drastisch. Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft Ingolstadts aus?
Positiv. Ich glaube, dass wir hier zwischen München und Nürnberg eine sehr gute Lage haben. Wir haben tolle Mittelständler und eine starke Automobilindustrie. Die Lage ist zwar angespannt und durchaus beobachtungswürdig, aber ich sehe nicht, dass Audi morgen pleite ist. Ich glaube aber, dass wir viel tun müssen. Wir müssen noch viel mehr “Wissensstandort” werden. Wir müssen die Stadt so attraktiv machen, dass man nach Ingolstadt wegen Ingolstadt kommt – und nicht wegen Audi. Die größte Aufgabe ist, die Stadt sichtbar zu machen und eine Stadtidentität zu erarbeiten. Das Potential ist auf jeden Fall vorhanden. Man kann aus Ingolstadt mehr machen als die Stadt neben Audi. Dazu gehört die Wirtschaft, aber natürlich auch die Kultur mit den Kammerspielen, dem MKKD und den vielen Kleinkunstveranstaltungen. Ingolstadt sollte mehr in Richtung Bildungs- und Kreativstadt gehen, ohne den technischen Fokus zu verlieren. Die Stadt kann noch besser werden, als sie aktuell ist.

Sie haben Ingolstadt als Wissensstandort angesprochen. Ist Ingolstadt mit der Technischen Hochschule und der WFI nicht gut genug aufgestellt? Gibt es Verbesserungspotenzial?
Ja, gibt es. Was aus meiner Sicht fehlt, sind die kreativen und geisteswissenschaftlichen Bereiche, die andere Impulse für eine Stadt geben. Das wäre für Ingolstadt extrem wertvoll. Wir könnten zudem anstreben, aus dem Klinikum ein Universitätsklinikum zu machen. Für Liberale ist Bildung immer von besonderer Bedeutung, weil sie Chancen ermöglicht.

Wahlkampferfahrung bringen Sie ja bereits mit. Bundestagswahlkampf 2017, Landtagswahlkampf 2018. Zweimal hat’s mit dem Einzug ins Parlament nicht geklappt. Aller guten Dinge sind drei, oder?
Der Bundestagswahlkampf war dazu da an Bekanntheit zu gewinnen. Beim Landtagswahlkampf war es schade, weil ich auf Platz 8 gestartet bin, aber das Ergebnis der FDP in ganz Bayern ausbaufähig war. Dann kann es auch mal nicht reichen. In Ingolstadt war das Wahlergebnis aber überdurchschnittlich.

Die FDP konnte in Ingolstadt noch nie mehr als einen Stadtratssitz erreichen.
Das ist korrekt. Die FDP Ingolstadt war immer eine recht kleine Partei, wir sind aber stark am wachsen.

In einem Ingolstädter Blog wurde gemutmaßt, es sei Taktik, Herrn Ettinger auf Listenplatz 2 zu setzen und Sie auf 1, damit beide in den Stadtrat einziehen.
Nein, das ist nicht nur ein taktisches Spiel. Ich habe auch durchaus vor, den OB-Wahlkampf ernsthaft zu führen, weil ich glaube, dass diese Stadt neue Impulse benötigt und dass ich in der Lage wäre diese zu geben.

Von welchen Impulsen sprechen Sie? Bildung haben wir bereits angesprochen.
Im Bereich Mittelstandspolitik brauchen wir weitere Impulse. Wenn ich sehe, dass unser Parteimitglied Dr. Wack Ingolstadt mit seiner Firma verlässt und nach Baar-Ebenhausen geht, dann verlassen uns damit auch die Gewerbesteuer, hochqualifizierte Mitarbeiter und Chancen für die Stadt. Da müssen wir in Zukunft deutlich gegensteuern. Nicht nur, dass uns niemand verlässt, sondern auch, dass wir Leute nach Ingolstadt ziehen. Wir sind sehr abhängig von der tollen Entwicklung, die die Audi AG genommen hat. Wir sind abhängig von diesem einen Teil der Wirtschaft – dem Automobilsektor. So dürfen wir künftig nicht weiterfahren. Es ist wichtig, dass Audi stark bleibt, aber wir müssen versuchen andere Diversifizierungen zu finden und in anderen Wirtschaftsbereichen stark zu werden. Dazu muss man sagen, dass es auch noch einem anderen großen Unternehmen in Ingolstadt nicht gerade blendend geht, um es vorsichtig auszudrücken – nämlich MediaSaturn. Zumindest ist das Medienberichten zu entnehmen.

Was wären konkrete Ideen?
In einem ersten Zug wäre eine Gewerbesteuersenkung denkbar. Aber auch bei den Grundstückspreisen müssen wir noch einmal in uns gehen und uns überlegen, ob wir den mittelständischen Unternehmen damit ein attraktives Angebot machen. Es gibt natürlich noch viele andere Bereiche. Wir haben in Ingolstadt wahnsinnig viel Zuzug. Ingolstadt ist sehr stark gewachsen, die Region 10 noch stärker.

Vielleicht sogar zu schnell, was sich eventuell am Wohnungsmarkt widerspiegelt?
Ich glaube nicht, dass Ingolstadt zu schnell gewachsen ist. Wir haben gesehen, dass der Wohnungsmarkt sehr angespannt war. Aber was wollen wir machen? Audi verbieten neue Leute einzustellen, wenn’s gut läuft?

Nein, aber Lösungen sollte es dann doch geben, um den Immobilienmarkt zu entspannen.
Richtig, deswegen würde ich nicht sagen, wir seien zu schnell gewachsen, sondern, dass wir nicht schnell genug reagiert haben, um mit der Nachfrage nach neuem Wohnraum mitzuhalten. Ingolstadt ist eine Großstadt mit einer sehr hohen Einfamilien- und Zweifamilienhausdichte. Die Stadtspitze und der Stadtrat haben in der Vergangenheit viel flächiges Bauen ausgewiesen, wobei die Kapazität an Einwohnern sehr begrenzt ist. Erst in den letzten Jahren sind Baugebiete projektiert worden, die eine deutlich höhere Aufnahmekapazität haben. Es gehört auch ein wenig zum Wachstumsschmerz einer Großstadt, neue Wohnformen zu finden. Wachstum bringt neben der Wohnproblematik aber auch eine Verkehrsproblematik: Wir müssen uns mehr über den ÖPNV und die Verbesserung der Straßen- und Schieneninfrastruktur unterhalten. Nur wenn wir alle Verkehrsbereiche gleichzeitig angehen, können wir der Nachfrage Herr werden. Ich hoffe, Ingolstadt wächst weiter. Bayern wächst entlang der ICE-Trassen zwischen Nürnberg und München und München und Augsburg. Da liegt Ingolstadt mittendrin. Ich sehe eigentlich keinen Grund, selbst wenn mittelfristige Schwankungen kommen sollten, dass Ingolstadt zum Detroit 2.0 wird.

Der OB-Kandidat der Linken, Christian Pauling, hat in einem Interview mit uns die Einführung einer Zweckentfremdungssatzung gefordert, um leerstehende Immobilien dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Ihr Standpunkt dazu?
Nicht nur er, auch die BGI fordert das. Wir haben viele Möglichkeiten, weitere Wohnkapazitäten zu schaffen. Nehmen wir folgenden Fall: Sie haben ein Grundstück, auf dem Ihre Kinder nach dem Studium einziehen sollen. Schwierig, oder?

Es ging ihm in erster Linie um leerstehende Gewerbeimmobilien.
Ja, die gibt es auch in Ingolstadt. Auch hier glaube ich, dass zuerst der Markt das regelt. Wenn die Preise der Gewerbeimmobilien hoch genug werden, dann wird auch verkauft werden. Zum anderen sehe ich nicht, dass wir in Ingolstadt besonders hohe Leerstandsquoten hätten. Um zu rechtfertigen, dass wir jemanden zwingen etwas zu tun, brauchen wir aus meiner Sicht sehr starke Gründe.

Zum Beispiel?
Dass wir überhaupt keinen Platz mehr im Stadtgebiet haben. Das sehe ich aber nicht. Wir haben in Weiherfeld große Gewerbegebiete, die mit Audis belegt sind. Bevor wir nicht hier Gewerbe ansiedeln, müssen wir andere nicht zu etwas zwingen. Wir haben aktuell nicht das Problem, dass wir zu wenig im Angebot habe. Deswegen bin ich gegen eine Zweckentfremdungssatzung.

Waren Sie eigentlich schon immer FDP-Wähler?
Sie meinen seit meiner Kindheit?

Seit Sie wahlberechtigt sind.
Nein, war ich nicht. Es gab durchaus Zeiten, da hat mir die FDP überhaupt nicht geschmeckt.

Zu welchen Zeiten?
Vor 2013, vor dem Rausschmiss aus dem Bundestag, lief nicht alles glücklich in der FDP. Ich konnte mir nicht vorstellen, Herrn Möllemann zu wählen. Was ich aber schon immer hatte, war ein liberales Gedankengut. Das hatte ich in der FDP aber vor der Reform nicht so stark verankert gesehen. Die FDP hat einiges an Klientelpolitik abgelegt und ist zum Grundgedanken zurückgekehrt. Nämlich, dass der Liberalismus für den einzelnen Menschen etwas positives sein soll. Was auch bedeutet, dass die soziale Marktwirtschaft wieder deutlich stärker in den Fokus gerückt ist. Das gefällt mir sehr.

Da Sie die soziale Marktwirtschaft ansprechen: Haben Sie politische Vorbilder? Ludwig Erhard zum Beispiel?
Ludwig Erhard ist kein politisches Vorbild (lacht). Das ist eine gute Frage, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ein großes politisches Vorbild habe ich tatsächlich nicht. Ich bewundere Politiker, die ihren Weg gegangen sind – unabhängig davon, ob ich ihre politische Einstellung teile. Norbert Lammert, der ehemalige Bundestagspräsident, hat mich immer sehr beeindruckt. Es gab aber natürlich auch in der FDP einige alte Granden. Ich selbst versuche Politik zu machen, von der ich überzeugt bin und dabei nicht zu taktieren oder andere anzugreifen. Mein Eindruck ist, je schärfer etwas formuliert ist, desto einfacher ist es in der Presse. Das ist aber nicht mein Stil. Ich glaube, dass wir in Ingolstadt zu wenig miteinander und zu viel gegeneinander machen. Ich bin absolut bereit für meine Themen auf sachlicher Ebene zu streiten. Das ist meine Leidenschaft. Aber ich bin auch absolut bereit, danach gemeinsam ein Bier trinken zu gehen. Politik sollte über Ideen überzeugen.

Im Dezember hat die FDP Bayern ein Handlungskonzept gegen Antisemitismus erarbeitet. Was war Ihre Rolle dabei?
Als Teil des Landesvorstands der FDP habe ich daran mitgewirkt. Auf dem Parteitag gab es einen Antrag, der in den Grundzügen auch der Antrag ist, der jetzt verabschiedet wurde. Dabei geht es um viele Details.

Antisemitische Straftaten nehmen zu. Wo sehen Sie die Ursachen dafür? Auch für das allgemein schärfere Klima in der Gesellschaft.
Wenn wir uns die Kriminalstatistik ansehen, dann ist es ja nicht so, dass wir in Bürgerkriegszeiten leben. Ganz im Gegenteil. In Bayern ist es sehr friedlich. Erschreckend ist aber der Anstieg insbesondere der antisemitischen Straftaten. Über die Sozialen Medien ist es leichter geworden, in bestimmte Gedankenwelten einzutreten und in diesen dann gefangen zu sein. Hier werden Weltbilder propagiert, die mit einem liberalen Weltbild so rein gar nichts zu tun haben. Wir sehen, dass wir insgesamt ein rechtsradikales Problem haben. Wir haben einen starken Rechtsruck, ein Teil davon ist der Antisemitismus. Insbesondere in den Neuen Ländern gibt es u.a. mit PEGIDA Bewegungen, die ein großes Problem sind. Das lässt sich auch in der politischen Landschaft beobachten. Dramatischerweise auch in Ingolstadt. Man sollte denken, dass Ingolstadt mit einem Median-Einkommen von 4.500 Euro der Hort der Seeligen ist. Was die Wahlergebnisse angeht, ist das aber weit gefehlt. Man kann hier viel mutmaßen: die Angst vor dem Abstieg oder die manchmal in den Medien oft unklare Differenzierung zwischen den Parteien. Für mich ist manchmal auch nicht ganz klar, für was die Parteien stehen. In Bundestagsdebatten wird es deutlicher. Es gibt aber auch noch den Antisemitismus bzw. Antizionismus, der im Arabischen verankert ist. Hier müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir handlungsfähig werden. Von der Anzahl her ist das noch ein relativ kleines Problem. Aber wir dürfen nichts ausschließen. Wir müssen auf allen Ebenen gegen Antisemitismus vorgehen. Es kann einfach nicht sein, dass man in Deutschland nicht mit einer Kippa durch die Stadt laufen kann. Das ist gegen alles, wofür ich politisch einstehe.

Was könnte helfen?
So früh wie möglich über Bildung und Aufklärung wirken, um gegen Verschwörungstheorien vorzugehen. Dieser Bildungsansatz wurde in Deutschland nicht immer optimal umgesetzt. Die Ergebnisse sehen wir jetzt. Die Aufklärung beschränkt sich zum Teil auch auf Gymnasien, was ich total absurd finde, weil es ein gesamtgesellschaftliches Thema ist. Das muss in jeder Schulart behandelt werden. Wir müssen auch im Internet eine konsequente Strafverfolgung durchsetzen. Dafür haben wir den Rechtsstaat. Mit dem Löschen ist es nicht getan, wenn antisemitische Straftaten begangen werden. Die Verrohung der Gesellschaft bereitet mir sehr viele Sorgen. Es ist eine große Herausforderung. Wir sehen mehrere Spaltungslinien durch die Gesellschaft. Wir müssen Antworten entwickeln und Ängste vor der Zukunft nehmen. Ich halte aber nichts von Schwarzmalerei. Natürlich kann es zu einer Wirtschaftskrise kommen, aber Deutschland ist ein Land mit einer durchschnittlich sehr hohen Bildung. Wir haben innovative Unternehmen, wir haben tolle Ingenieure, manchmal sollten wir auch ein bisschen selbstbewusster sein.

Umweltschutz ist ein großes Thema, bei dem die FDP nicht besonders gut punkten kann.
Medial würde ich Ihnen zustimmen, inhaltlich nicht.

Was wären denn konkrete Ideen der FDP Ingolstadt im Bereich Umwelt?
Gerade wird Umweltschutz immer mit dem Klima gleichgesetzt. Das Klima ist davon natürlich ein Teil, es gibt aber auch noch andere Aspekte im Umweltschutz. Zum Klimaschutz: das einzige, was eine Kommune dabei vernünftig machen kann ist zu schauen, dass sie einerseits möglichst wenig emittiert und andererseits möglichst viel CO2 auffängt – zum Beispiel durch das Pflanzen von Bäumen. Da braucht man aber schon ziemlich viele.

Herr Lösel wird öfter für “seine” 1 Million Bäume kritisiert. Das klingt zwar erstmal viel, wenn man es dann allerdings durchrechnet…
…ist es nicht so viel. In den Niederlanden sind die städtischen Bushaltestellen mit Gründächern ausgestattet. Das wirkt zuerst nicht viel, aber wir haben mehrere hundert Haltestellen. Wenn man das hochrechnet, ist es eine beachtliche Fläche. Das hat mehrere positive Effekte: zum einen den Kühleffekt, zum anderen haben Bienen und Insekten mehr Lebensraum. Das kann ich mir für Ingolstadt gut vorstellen. Die Initiative Star City versucht durch bessere Abschirmung die Lichtemissionen zu begrenzen. Dadurch strahlt weniger Licht in die Atmosphäre. Das ist sehr erfolgreich und bringt auch den Insekten viel, weil sie nachts die Lichtquellen anfliegen und dort verenden. Oft sind es die kleinen Dinge, die einen großen Erfolg bringen. Ich verstehe auch nicht, warum Ingolstadt eine “Grün GmbH” und keinen Landschaftspflegeverband will, der aus Bauern der Region und Naturschutzverbänden bestehen würde, die sich um die Brachausgleichsflächen kümmern.

Denken Sie, Sie wären ein guter Oberbürgermeister?
Ja, sonst wäre ich nicht angetreten. Witzkandidaturen haben wir genug.

Zum Beispiel?
Ganz explizit DIE PARTEI, die mit einer Kölner Kandidatin, die nicht vorhat, in Ingolstadt zu erscheinen, kandidiert. Das Recht steht ihnen demokratisch zu, allerdings hat die Demokratie für mich einen wahnsinnig hohen Stellenwert. Ich bin tief davon überzeugt, dass die Demokratie das beste System ist, das wir haben und dass es für jeden Einzelnen große Vorteile bietet. Das ist für mich persönlich ein zu ernstes Thema, um damit Satire zu betreiben. Andere sehen das anders und das sei ihnen auch zugestanden. Ich lache da auch gerne mal drüber, die Frage ist aber irgendwann: was passiert in Ämtern? Wenn ich bei allen Entscheidungen mit Ja/Nein abwechsle (Satiriker und MdEP Martin Sonneborn stimmt im EU-Parlament abwechselnd mit Ja/Nein, Anm.), nehme ich das aus meiner Sicht moralisch nicht ernst genug.

Herr Sonneborn spricht im EU-Parlament manche Probleme sehr deutlich an – auch wenn er das auf seine Weise macht.
Das spreche ich ihm gar nicht ab. Damit ist er nicht alleine, das tun einige Satiriker. Natürlich werden damit politische Themen anders angesprochen und das ist auch eine ganz wichtige Rolle der Reflexion. Die Frage ist, ob man es so weit treiben sollte, dass man dafür Mandate erhält.

Zurück zum Thema: Warum wären Sie ein guter Oberbürgermeister?
Ich glaube, ich bin ein geradliniger Typ, der den Vorteil hat, hier keine große Abhängigkeiten zu haben. Ich vertrete mein Programm – und entweder es funktioniert oder es funktioniert nicht. Ich versuche die Leute zu überzeugen, aber nicht sie zu überreden. Ich versuche, Ingolstadt integrativ und themenorientiert nach vorne zu bringen – ohne einen Konflikt zu schüren. Konfrontativ auf Themenebene darf es schon sein, aber eben nicht auf persönlicher Ebene. Ich glaube, dass ich in der Lage wäre, Ingolstadt eine Zukunftsperspektive als Stadt zu zeigen, die über das bisherige Maß hinausgeht.

Sie sagen, Sie würden als OB gerne integrativ handeln…
(lacht) Jetzt kommt die Frage mit der AfD.

Ganz genau. Im Dezember gab es eine große Diskussion darüber, ob man Anträge der AfD im Stadtrat generell ablehnen sollte – auch wenn das Thema an sich vielleicht sogar diskussionswürdig sein mag. Der Antrag von AfD-Stadtrat Bannert fand mit den Stimmen von CSU und FW eine Mehrheit. Die anderen Parteien stimmten dagegen – auch Ihr Parteikollege Herr Ettinger.
Ich glaube, es gab auch sachliche Gründe, warum er dagegen stimmen konnte. Es ist eine schmale Gradwanderung. Ich teile nicht die Meinung von Herrn Siebecke “Wenn die AfD das eine sagt, müssen wir das andere sagen”. Die AfD stimmt unseren Anträgen im Bundestag auch teilweise zu. Was wollen wir machen? Den Antrag zurückziehen, weil wir die Gefahr sehen, dass die AfD zustimmen würde? Das wäre absurd.

Es geht eher darum, ob die FDP Anträgen der AfD zustimmen würde.
Also von mir hören Sie eine ganz klare Abgrenzung zur AfD. Die AfD ist für mich eine Partei, die die freiheitlich demokratische Grundordnung der BRD mit Füßen tritt. Das ist eine Partei, mit der ich in keiner Form die aktive Kooperation suche. Die Frage ist: sollten wir einen guten Änderungsantrag der AfD – sofern es ihn gibt – ablehnen, nur weil er von der AfD kommt? Dann wird zurecht darauf hingewiesen, dass das Ingolstadt nicht weiter bringt. Ich bin dabei selbst in einer Zwickmühle. Das ist keine einfache Frage und auch situativ bedingt. Eine aktive Zusammenarbeit wird es aber sicher nicht geben, weil die AfD gegen alles steht, wofür die FDP steht. Wenn ich mir die Anträge der AfD über alle Ebenen hinweg ansehe, habe ich aber nicht unbedingt das Bedürfnis, dabei aus sachlichen Gründen zuzustimmen.

Der ÖPNV ist das ewige Wahlkampfthema.
Ich bin der Meinung, dass Ingolstadt dabei zum Teil in der Steinzeit steht. Inbesondere in der Wahl der Transportmittel. In Ingolstadt gibt es zum Beispiel keine Ruftaxis – also ein Sammeltaxi, das mehrere Personen mitnimmt. Wir haben im ÖPNV die Herausforderung, dass ein Bus dann sehr effizient ist, wenn er voll ist. Dann sind die Umweltvorteile und die Verkehrsvorteile groß. Wenn der Bus leer ist, ist er eine Katastrophe. Die Straßenschäden sind wesentlich höher, der Platzverbrauch ist wesentlich höher und der CO2-Ausstoß und sonstige Emissionen sind wesentlich höher. Wir müssen versuchen, den ÖPNV optimal auszulasten. Wir könnten natürlich den Takt reduzieren.

Schwierig. Macht das Ganze noch unattraktiver.
Richtig. Wir könnten also die Transportgröße variieren. Es muss nicht immer ein Tandembus sein, es kann auch ein Neun-Sitzer sein – ein Ruftaxi. Von VW gibt es dazu eine sehr interessante Initiative in Hamburg. Per App wird eine optimale Routenführung berechnet. So sind die Anfahrtswege schneller und es wird weniger emitiert. Wir könnten aber auch schauen, welche innovativen Unternehmen wir in Ingolstadt schon haben. Dabei ist mir eines besonders aufgefallen – es heißt e-troFit. Alte Diesel-Busse werden dort mit E-Technik umgerüstet. Das ist relativ günstig – im Vergleich zu einem neuen E-Bus. Die Kosten pro gefahrenem Kilometer gehen sofort runter. Das ist natürlich nichts, um nach Eichstätt zu fahren, es ist innerhalb der Innenstadt sinnvoll. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten: Die Zentralsteuerung über den ZOB ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen andere Routenführungen und mehr Umsteigeknotenpunkte. Wir müssen den Bahnverkauf ausbauen. Ingolstadt hat den Fehler gemacht, jahrelang Gleise abzubauen. Der Audi Bahnhalt ist ein erster Anfang. Karl Ettinger hat auf meine Initiative einen Stadtratsantrag eingebracht: in China gibt es schienen- und führerlose S-Bahnen. Das sind im Prinzip Busse, die in einem Leitsystem fahren und aussehen und sich so verhalten wie S-Bahnen. Die Rüstkosten sind im Gegensatz zur Verlegung eines Schienensystems wesentlich geringer. Man braucht auch keine Oberleitungen. Diese innovativen Konzepte sollte man sich anschauen.

Stichwort “Kostenloser ÖPNV”.
Ingolstadt braucht einen besseren ÖPNV, aber es macht keinen Sinn diesen für alle kostenlos zu machen. Vermutlich macht es keinen Sinn – in Pfaffenhofen werden wir es sehen. Für einzelne Gruppen wie Schüler ist es durchaus eine Überlegung. Die Qualität des ÖPNV ist aber wichtiger als ein noch niedrigerer Preis.

Wie sieht’s mit Hobbys aus?
Ich gehe gerne ins Theater und lese gerne. Team of Rivals liegt bereit, wegen des Wahlkampfes komme ich aber nicht dazu, es zu lesen. Mit meiner Frau und meinen Kindern gehe ich gerne wandern.

Herr Schäuble, wir bedanken uns für das Gespräch.

Kurzgefasst: OB-Kandidat Jakob Schäuble

Politiker reden viel – und gerne. Ob das auch kürzer geht? Jeder Ingolstädter OB-Kandidat durfte in einem selbstgedrehten „Wahlwerbespot“ folgende Frage für espresso beantworten: Warum sollte man Sie wählen? Einzige Vorgabe: Das Video darf nicht länger als 60 Sekunden dauern. Geradezu vorbildlich hat diese Aufgabe Jakob Schäuble (FDP) gelöst. In genau einer Minute stellt er seine Ideen in einem technisch einwandfreien Spot vor.

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