Sally & Jonnie

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Sally & Jonnie

Fotos: Stefanie Herker / Location: Miss Pepper, Dasing

MIT SCHATZ AUF DER FLUCHT. NOSTALGIE IM GEPÄCK.

Es ist Mittag. Die Sonne glüht auf den Highway, als ein gelber Chevy mit glänzenden Chromflügeln vor dem Diner zum Stehen kommt. Eine mysteriöse Kiste liegt hinten auf der Ladefläche. Gerade so groß, dass.. ihr wisst schon. Türen schlagen, High Heels tippeln auf Asphalt, ein Motor verstummt, nur das Flackern des Neonlichts außen am Diner bleibt.

VON STEFANIE HERKER

Sally läuft zielstrebig und elegant auf das Diner zu. Ihr knallrotes Haar glüht fast wie das Schild über der Eingangstür. Der rosarote Rock schwingt, die weiße Bluse spannt sich leicht über die Schultern. Bunte Tattoos schmücken ihre helle Haut. Im Haar steckt eine Blume, die längst ihr Markenzeichen ist. Rote Lippen, eine Brille, hinter der sich leuchtend blaue Augen verstecken, die mehr gesehen haben, als sie zugeben. Jonnie folgt. Braune Stoffhose, rosa Strickshirt. Vollbart. Seine Zigarette zieht er durch den ganzen Körper. Die Glut blitzt noch einmal im Rückspiegel des Chevys auf, als wäre sie ein Signal. Für wen? Das wissen nur die beiden.

Drinnen, im Diner, spielt die Jukebox leise „Blue Suede Shoes“. Ein alter Mann sitzt an der Bar. Er wirkt unheimlich. Sie setzen sich in eine Ecke, wie ganz normale Gäste. Lächeln und bestellen wie ein Paar, das einfach auf der Durchreise ist. Doch da ist dieser Widerspruch: die Pastellträume der 50s, die Sahnehaube auf dem Milkshake – und die Ahnung, dass Sally und Jonnie nicht hier sind, um bloß Pommes zu bestellen.

Niemand weiß genau, was sie getan haben. Manche sagen, sie hätten eine Bank überfallen. Andere behaupten, sie hätten Blut an den Händen, dabei könnte es auch einfach nur Ketchup sein. Vielleicht haben sie geraubt, vielleicht nur gestohlen. Ein geraubter Verstand? Ein gestohlener Kuss? Oder doch mehr? In dieser Szene, in diesem Diner, wirken sie harmlos – bis du länger hinsiehst. Dann erkennst du: Nostalgie und das fröhliche Grinsen sind nur die Maske. Und hinter ihr steckt eine Geschichte, die wilder ist, als jede Rock’n’Roll-Ballade.

Und dann – Schnitt.

Die Kamera würde jetzt ausblenden, das Bild flirrt, die Figuren bleiben für einen Moment eingefroren zwischen Milkshake und amerikanischen Nummernschildern. Sally und Jonnie verschwimmen, die Kulisse des Diners bricht zusammen wie eine Filmkulisse aus Pappmaché.

Liebe ist... nicht immer süß

Was bleibt, ist die Realität: ein Paar, das höchstens auf der Flucht vor dem Heute ist, das beschlossen hat, sein Leben im Stil der 40er und 50er-Jahre zu gestalten. Kleidung, Möbel, Auto. Ihr Alltag ist Retro, ihre Liebe ein Roadmovie, der in unserer Gegenwart spielt. Hier beginnt die wahre Geschichte von Sally und Jonnie alias Felicitas und Markus Schindler. Zunächst: Die beiden sind sich nicht im amerikanischen L.A., sondern im bayerischen Landshut zum ersten Mal begegnet. Zur Schulzeit. „Markus war der erste Junge, in den ich damals verknallt war. Mit elf. Wir waren in unserer Jugend befreundet, aber da wollte er mich noch nicht als feste Freundin. Ein bisschen übel nehme ich ihm das schon!“, sagt die 49-Jährige mit einem Augenzwinkern. 1996 wurden sie schließlich doch noch ein Paar. Banditen sind sie aber keine, Leichen im Kofferraum haben sie auch nicht und auf den Straßen fürchtet man sie nur gelegentlich, wenn der V8-Motor brummt. Ein bisschen umtriebig sind sie aber schon: Landshut, Manching, Neuburg, Ingolstadt, jetzt Baar-Ebenhausen – da kommt zumindest keine Langeweile auf.

Liebe ist... selten wie im Film.

Home, sweet Home

Das Zuhause der beiden ist ein wahrgewordener Vintagetraum. Rosa und hellblaue Wände, Vintagemöbel, die sie auf ebay Kleinanzeigen oder Flohmärkten gekauft haben. „Neues Zeug hat keinen Charakter. Das hier hält. Und wenn’s kaputt geht, wird’s repariert“, sagt Markus, der irritiert von der Wegwerfmentalität der heutigen Zeit ist. Die Möbel sind nicht perfekt, aber sie erzählen Geschichten. Das ist Nostalgie, Erinnerung, die weiterlebt.

Retrokleidung füllt ihre Schränke. „50 Kleider und zehn Röcke werden es schon sein“, grinst Sally, die höchstens mal auf der Couch eine Jogginghose trägt. Dass es in Ingolstadt so gut wie keine Secondhand-Retromode gibt, findet sie sehr schade. In Großstädten wie Hamburg oder Berlin sieht es da ganz anders aus.

Liebe ist... das Kind in ihm zu sehen.

Ein ganz normaler Tag

Wie sieht nun so ein Tag eines Paares aus, das Nostalgie lebt? „Ich stehe um fünf auf, schminke mich (doch eher dezent) für die Arbeit.“ Felicitas arbeitet morgens bei EDEKA und räumt Obst ein – Poloshirt statt Petticoat. So sehr Markus seinen gelben Chevy Truck, den er aus den USA importiert hat, liebt, weiß er doch den CO2-Ausstoß zu kompensieren. Der 50-Jährige radelt jeden Tag – egal ob Regen oder Regenbogen – nach Manching zu Airbus, 15 Kilometer. „Mein Ausgleich“, sagt er.

Sommernachtstraum

Wenn der Sommer kommt, ist das Haus oft leer – dann zieht es die beiden raus. Auf Oldtimertreffen zwischen Motoröl und Petticoats, ins Autokino, auf authentische Festivals im Stil der 40er und 50er. „Es ist wie eine zweite Familie“, sagt Felicitas. Menschen, die genauso verrückt sind, genauso viel Herzblut in diese vergangene Zeit stecken. Im Sommer sind sie jedes Wochenende als Sally und Jonnie auf nostalgischen Events und US-Car-Treffen.

Von Boogie zu Gyros

Früher tanzten sie zusammen Boogie – Nächte voller Schwung und Schweiß, Drehungen und Lachen. Heute haben sie das Tempo herausgenommen. „Jetzt gehen wir lieber zur Ingolstädter Sommerlounge oder zum Griechen“, sagt Felicitas. Nostalgie bedeutet für sie nicht, die Vergangenheit eins zu eins zu kopieren, sondern auch, sie lebendig zu halten, so wie es passt und Spaß macht.

Gedankenspiele

Und wenn Felicitas ihre Gedanken kreisen lässt, dann wäre neben Markus da noch ein anderes Großprojekt in ihrer Vorstellung: ein Café im Stil der 50er. Rosa Wände, kariertes Linoleum, Jukebox in der Ecke, Kuchen wie von Damals. Ein Ort, wo man reingeht und die Zeit sofort stehen bleibt. Noch ist es Zukunftsmusik, aber wenn man sie anschaut, würde man meinen, wenn nicht sie, wer dann könnte die Milchshake-Maschine schöner bedienen und Fritten authentischer servieren. Wer weiß, vielleicht schenkt Felicitas irgendwann doch noch in Ingolstadt Filterkaffee filmreif im eigenen Diner ein und Jonnie macht in der Küche French Toast zu Musik von den Beach Boys. Bis dahin tragen sie den nostalgischen Charme im Herzen. Und dort, wo sie gerade sind.

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