Bier mit Geschmack

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Bier mit Geschmack

Foto: Stefanie Herker

Manuel und Lisa Müllers bierige Reise von Tradition zu Innovation – und plötzlich schmeckt das Müllerbräu!

VON STEFANIE HERKER

Bier kann in Bayern eine ernste Angelegenheit sein. Reinheitsgebot, Stammtisch, Maßkrug – alles streng geregelt, alles tief verwurzelt. Wer daran rüttelt, riskiert skeptische Blicke. Doch manchmal braucht es genau das: Mut zur Kreativität. Ein Beispiel dafür liefert die letzte verbliebene Brauerei in Pfaffenhofen, die Gebr. Müller Müllerbräu GmbH & Co. KG. Hier wird seit 1775 gebraut. Heute führt Manuel Müller die Geschicke in siebter Generation, zusammen mit seiner Frau Lisa, die das Gasthaus und das moderne Sudhaus-Restaurant betreut.

Lisa und Manuel Müller im Gärkeller | Foto: Stefanie Herker

Zwischen Tradition und Zukunft

Die Geschichte von Müllerbräu ist fast so alt wie die Stadt selbst. Erste Spuren finden sich bereits 1618, offiziell gegründet wurde die Brauerei 1775. Besonders Anton und Walburga Müller trugen um 1900 erheblich zur Entwicklung der Brauerei bei, indem sie nicht nur die Brauerei, sondern auch den Gasthof ausbauten. Das neobarocke Gebäude am Hauptplatz ist bis heute ein Schmuckstück. Walburga Müller (Manuels Uroma) wurde im neuen Müllerbräu-Logo (rechts) gewürdigt. „Sie hat die Firma durch eine schwere Zeit gebracht“, erklärt Manuel. „Um 1910 war sie die größte Arbeitgeberin Pfaffenhofens.“ Einst gab es in Pfaffenhofen 13 Brauereien – geblieben ist nur Müllerbräu. Warum? Manuel Müller meint, dass die Menschen seit der Corona-Pandemie wieder mehr verstanden haben, dass sie regional denken müssen. „Das Heimatgefühl ist wieder stärker geworden. Die Leute unterstützen auch wieder lieber die Region, als dass sie Bier aus anderen Teilen Deutschlands konsumieren“, erklärt er. Vielleicht hat es aber auch damit etwas zu tun, dass die Müllers immer wieder Neues wagen, anstatt nur nostalgisch auf „die gute alte Zeit“ zu schielen. Und das ist keine Floskel. Müllerbräu scheint wie ein Gesamtkunstwerk, wenn man genauer hinsieht.

Manuel und Lisa Müller setzen auf eine Mischung aus Verlässlichkeit und Aufbruch – im Restaurant steht ein eigenes Gewächshaus, Hopfen kommt zum Teil aus eigenen Gärten, Wasser aus dem eigenen Brunnen, Energie aus Biomasse und Photovoltaik, Bier wird mit Fernwärme gebraut. Es gibt Bio-Bier mit Bioland-Siegel, gläserne Brauereiführungen und ein Sudhaus, das modernes Industriedesign mit Tradition verbindet.

Doch was Müllerbräu wirklich von vielen anderen Brauereien unterscheidet, ist der Mut, das Bier ins Heute zu holen. Während andere noch verzweifelt über sinkende Absätze klagen, hat Müllerbräu verstanden, dass Bier mehr sein kann als ein Durstlöscher: Es kann soziales Bindeglied sein.

Sie sponsern lokale Vereine und Organisationen und machen dabei keinen Unterschied, ob traditionell oder zeitgemäß. Und so leuchtete bereits am Hauptplatz plötzlich ein riesiges Banner mit Regenbogenfarben: „Gemeinsam für Akzeptanz und Vielfalt“. Dazu gab es eine limitierte „Hell Pride Edition“ – ein Bier, das nicht nur schmeckt, sondern auch Haltung zeigt. Seitdem unterstützt Müllerbräu konsequent den Queer Pfaffenhofen e.V., sponsert den Christopher Street Day, stellt Räume für Treffen zur Verfügung und signalisiert: Hier ist jede*r willkommen.

Im Gasthaus treffen sich nun nicht nur Stammtische und Kartler, sondern auch die queere Community. Und auch beim CSD in Pfaffenhofen prostete man sich mit Müllerbräu zu – auf Vielfalt, auf Freiheit, auf eine Stadt, die bunter sein will. „Bei uns ist jeder willkommen“, erklärt Lisa Müller und findet es einfach nur menschlich, dafür ein Zeichen zu setzen.

Love is Love | Foto: Sebastian Birkl

Bier mit Preis und Prädikat

Natürlich bleibt das Bier selbst die Basis: Müllerbräu Hell, Festbier, Weißbier Leicht, Hopfenland Pils – alle mehrfach ausgezeichnet, ob beim European Beer Star oder beim World Beer Cup. Doch die Produkte stehen hier nicht isoliert, sie sind Teil einer größeren Erzählung: dass man Tradition und Kreativität verbinden kann, ohne die Seele des Bieres zu verlieren.

Wer das spüren will, sollte eine der Brauereiführungen besuchen: durch die glänzenden Stahlkessel, vorbei am Malzduft, hinein ins Sudhaus, das wie eine Bühne für das Brauhandwerk wirkt. Am Ende darf natürlich probiert werden – und spätestens da versteht man, warum Müllerbräu keine altehrwürdige Institution im Abseits ist, sondern ein lebendiger Teil der Stadt. „Es wird uns seit einigen Jahren immer wieder gesagt, dass unser Bier jetzt richtig gut geworden ist. Wir haben seit zehn Jahren einen neuen Braumeister. Woran es aber ganz genau liegt, können wir nicht sagen.“

Das Vollgas-Gen

Und dann gibt es noch die Anekdote, die zeigt, dass in dieser Familie immer schon Tempo steckte: Fritz Müller, Manuels Papa, war Rennfahrer. Während andere Brauer ihre Bierfässer auf Pferdewagen stapelten, fuhr er Autorennen. Dieses „Rennfahrer-Gen“ ist vielleicht bis heute spürbar: Die Bereitschaft, schneller zu sein als andere, Neues auszuprobieren, Risiken einzugehen. Nur, dass die Müllers heute nicht mehr im Kreis rasen, sondern geradewegs in die Zukunft. „Papas“ Requisiten wie Rennfahreranzug, Trophäe und der alte Motor liegen übrigens noch im hauseigenen Museum, das man im Sudhaus am oberen Hauptplatz besuchen kann. Hier gibt es Vintage-Erinnerungsstücke, Müllerbräu-Fanartikel und Kleidung – für alle, die ein Zeichen setzen wollen.

Gemeinschaft im Glas

So wird aus einem urigen Getränk ein modernes Statement. Müllerbräu schafft es, ein Gefühl zu stiften, das über den Schaumrand hinausgeht: Gemeinschaft. Da sitzt der Senior mit Stammtischhumor neben der queeren Jugendgruppe, die Handwerkerin neben dem Künstler, und alle stoßen an. Auf ein Bier, das mehr ist als Malz und Hopfen. Auf ein Symbol für Toleranz und Kreativität.

Führungen, Reservierungen, Geschichte und mehr auf: www.muellerbraeu.com

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