Hey Siri, bin ich schön?

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Hey Siri, bin ich schön?

Künstlerin Siri Lang in ihrem Atelier in der Ingolstädter Milchstraße. Vor ihr Werke ihrer Ausstellung "Ich bin schön und du extrem" | Fotos: Sebastian Birkl

Am Anfang herrscht das Chaos. Alles liegt kreuz und quer, der Boden ist mit Schnipseln und Dreck übersät. Dreißig Farbflaschen stehen wie kleine Soldaten mitten im kreativen Schlachtfeld. „Und so muss es sein. Dann bin ich in meinem Universum!“ So war es auch diesmal. Erst am Ende lichtet sich das Chaos und die Kunst kommt zum Vorschein. Extra für die Nacht der Museen hat die Ingolstädter Künstlerin Siri Lang viel Neues geschaffen. Ihrer Ausstellung verpasste sie den Titel „Ich bin schön und du extrem“.

Darin zusammengefasst die Spannungsfelder, in denen sich Individuen bewegen: Schönheit und Selbstbild, gesellschaftliche Erwartungen, Geschlechterrollen und die Frage nach der eigenen Identität. „Am Ende scheint man immer irgendwie gezwungen zu sein, sich zu entscheiden, was man ist, wer man ist oder wie man von außen gesehen wird. Bin ich schön? Bin ich nicht schön? Was heißt das und wie viel zeige ich davon?“, sagt Lang. Nicht immer kommt das im Alltag ohne Widerspruch aus. „Auf der einen Seite kann ich mich nicht, wenn ich wollte, oben ohne ins Freibad legen. Aber ich kann mich im Internet auf Onlyfans ausziehen und bekomme Anerkennung dafür.“

Diese Gegensätze werfen Fragen auf – nicht nur zu Rollenbildern, sondern auch zu den Botschaften, die junge Menschen über soziale Medien erhalten. Wie beeinflusst die digitale Öffentlichkeit unser Verständnis von Schönheit und Selbstinszenierung? „Eventuell ist das ein isolierter Blick von mir, aber ganz viel dreht sich im Internet um das Thema Schönheit. Darum, wie ich gut koche oder wie ich mich schminke.“ Antworten will die Künstlerin bewusst nicht geben. Vielmehr geht es ihr darum, Denkprozesse anzustoßen. „Die Leute sollen in der Ausstellung diese Fragen in sich spüren oder zumindest anfangen, darüber nachzudenken, ob es darauf eine sinnige Antwort gibt oder nicht.“

Die anatomische Darstellung einer Vagina ähnelt einem Pinguin, findet Siri Lang

Das Hauptwerk ihrer Ausstellung im Rahmen der Nacht der Museen war eine Collage, zusammengesetzt aus verschiedenen Einzelobjekten. Zum espresso-Interview lag das alles noch auf dem Boden in Siri Langs Atelier in der Milchstraße, ehe es dann an eine Wand in ihrem zweiten Atelier in der Reitkasernstraße in seiner finalen Form zu sehen war. Mittendrin: Penisse und Vaginas. „Nicht in der Darstellung, wie wir es vielleicht gewohnt sind oder in einem pornografischen Sinne. Sondern eher in einem malerischen“, erklärt sie. Die anatomische Darstellung einer Vagina hat sie zum Beispiel für eines der Bilder inspiriert. „Als ich das gesehen habe, dachte ich: Das ist ja süß, die schauen aus wie Pinguine.“ Die Penisse verstecken sich in einer Reihe von Zeichnungen diverser Männerbärte. „In der Collage stecken aber auch Aspekte wie Konformität und Individualität, womit man sich ja heutzutage sehr angreifbar macht. Man muss schon sehr stark sein, um seine Individualität ausleben zu können. Ich habe oft den Eindruck, das Maximum an Individualität, das uns heute zugestanden wird, ist die Farbe der Apple Watch.“

Collagen-Werk für die Nacht der Museen

Siri Lang hat sich auch selbst zum Teil der Ausstellung gemacht. Was darf und will man von sich zeigen? Welche Rolle spiele ich? Dem spürte die Künstlerin nach. „Niemand weiß ja so wirklich, wer ich bin. Ich weiß es ja selbst oft nicht. Aber ich kann natürlich ganz leicht das von mir darstellen, was ich will, dass die Leute sehen.“ In der reduziertesten Form dieser Auseinandersetzung landet man zwangsläufig beim Körper in seiner ursprünglichsten Form: nackt. Um das eigene Spannungsempfinden damit im künstlerischen Prozess aufzuarbeiten, dienen ihr als Grundlage eines ihrer Werke die eigenen Brüste.

Künstler sind empfindsame Seelen. Wie steht es um die Bewertung oder Kritik von außerhalb an ihrer Kunst? Nimmt sie das persönlich? „Ich habe das viel zu lange persönlich genommen. Jetzt nicht mehr“, sagt sie. Aber es war auch ein Punkt, warum sie die Kunst auf beruflicher Ebene nicht zielstrebiger verfolgt hatte. Sie ging immer einem Brotberuf nach, etwa als Unternehmensberaterin oder in Anstellung an der THI. „Ich war sehr lange darin gefangen, mich in der Kunst nicht frei ausdrücken zu können – aus Angst vor Reaktion und Bewertung. Es ist ja auch viel Persönliches drin. Man macht sich sehr angreifbar.“ Sie sei immer noch keine, die ihre Kunst „in die Welt schreien wird“, erklärt sie. Auf Instagram und ihrer Webseite rückt sie sich persönlich nicht ins Rampenlicht. „Ich habe das noch stark damit verknüpft, dass es nicht um mich gehen sollte. Aber es muss eigentlich um mich gehen. Kunst betrachtet man ja deshalb, weil man wissen will, was der Künstler zu sagen hat oder welche Meinung er hat.“

Wenige Tage vor der Nacht der Museen sagt Siri Lang mit strahlenden Augen: „Ich will, dass es ein wunderbarer Abend wird.“ Von der Anzahl der Gäste macht sie das nicht abhängig. Zum fünften Mal öffnete Siri Lang ihr Atelier in der Reitkasernstraße im Rahmen der Nacht der Museen. Zum ersten Mal allerdings ganz offiziell auf Einladung des Kulturamts, in den vergangenen Jahren waren es quasi „Guerilla-Ausstellungen“. Im Kern helfen dieselben Freunde Jahr für Jahr mit. „Ich freue mich, dass sie da sind, dass wir zusammen sind und den Spaß unseres Lebens haben. Dann kann es nur gut werden. Alles andere ist on top.“ Rückblickend lässt sich feststellen: Gut besucht war ihr Atelier auf jeden Fall. Gleiches wünscht espresso künftig für Siri Langs neuestes Projekt: Ein Kultur-Bistro namens „Kiesch“ im Zehenthof.

Mehr www.sirilang.de und Instagram @art_sirilang

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