Nur ein Rucksack

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Nur ein Rucksack

Nadine Praun | Fotos: Stefanie Herker

Das Experiment: Was bleibt, wenn du fliehen musst

Zwei Menschen, zwei Wohnungen, eine Aufgabe: Pack deinen Rucksack in weniger als einer Stunde. Du musst dein Zuhause verlassen – und du weißt nicht, ob du je zurückkehren wirst. Was nimmst du mit?

Nadine Praun ist Stellvertretende Vorsitzende der SPD Ingolstadt. Von Beruf ist sie Lehrerin. In erster Linie ist sie bei diesem Experiment aber Ehefrau und Mutter einer einjährigen Tochter. Sie hat schon einmal erlebt, was es heißt, loszuziehen. Sie ist den Jakobsweg gelaufen – und hat dabei gelernt, dass man weniger braucht, als man denkt. „Ich dachte damals, ich müsste so vieles mitnehmen. Aber unterwegs habe ich gemerkt, was wirklich zählt.“ Diesmal denkt sie zuerst an ihe Kleine: Babynahrung, Windeln, Medikamente, eine Erste-Hilfe-Tasche, ein Kinderbuch, das Lieblingskuscheltier, Kleidung, Mütze, Cap. Für die Nacht einen Schlafsack und ein Kissen, Taschenlampe. Taschenmesser. Für sich selbst eine Jacke, einen Schal, einen weiteren Pullover, eine Mütze, Hygieneartikel. Sie hat an das Familienstammbuch gedacht, Erinnerungsfotos müssen mit, die Ausweise, ein kleines Umhängetäschchen für Geld und Handy – und eine wiederbefüllbare Trinkflasche. Das Nötigste – und was fürs Herz.

Kevin Reichelt

Der Ingolstädter Künstler Kevin Reichelt – manche kennen ihn vielleicht von „Die große Kevin Reichelt Show“ – arbeitet bei Hörgeräte Langer. Er ist Vater von zwei Kindern, wohnt getrennt von ihnen. Wenn er sein Zuhause verlassen müsste, würde er Fotos und die Kuscheltiere seiner Töchter mitnehmen. Außerdem hat er als Wegzehrung Obst, Trockenobst, Nüsse und eine Trinkflasche zurecht gelegt. Bankkarten und Ausweisdokumente auch. Seine silberne Regenjacke, die pinke Mütze, ein Cap, Unterwäsche, Socken, zwei Shirts und Hygieneartikel dürfen nicht fehlen. Zum Schlafen hat er sich eine kuschelige Wolldecke, ein Kissen und eine isolierte Picknickdecke als Unterlage herausgekramt. Weil Worte seine Leidenschaft sind, hat er zwei Bücher mit im Gepäck, der Laptop mit Kabel und Powerbank fürs Handy ist dabei – und ganz wichtig: sein Notizbuch und Stifte. „Taschenlampe und Taschenmesser hab ich tatsächlich nicht zuhause“, stellte er beim Packen fest. Aber vielleicht braucht er sie auch gar nicht. Das Licht seiner Ideen leuchtet, wenn sie nachts in seinem Kopf entstehen. Diese Gedanken, die er erst später auf Bühnen preisgibt – voller Gefühl, muss er immer gleich aufschreiben, erklärt er. „Sonst vergesse ich sie.“ Was er niemals vergessen würde? – sein Löwentrikot. Ein Stück Heimat, das ihn an Zusammenhalt erinnert.

Zwei Rucksäcke, zwei Leben. Nadine packt fürs Überleben, Kevin fürs Erinnern. Doch dieses kleine Experiment soll uns mehr zeigen als nur zwei Listen. Es soll uns zum Nachdenken bringen: Wie geht es Menschen, die ihr Zuhause nicht freiwillig verlassen? Die wegen Krieg, Gewalt oder Umweltkatastrophen plötzlich alles verlieren – oder in wenigen Minuten entscheiden müssen, was bleibt? Wir denken bei einem gepackten Rucksack an Ordnung, an Kontrolle. Für Millionen Menschen auf der Welt bedeutet er: Überleben. Dieses Experiment erinnert uns daran, wie zerbrechlich unser Alltag ist – und wie wichtig Empathie bleibt, wenn andere ihr Leben in eine Tasche packen müssen.

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