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Ein unterirdisches Vorhaben

Wie Andreas Neumayer die Trüffel in seinen Heimatort bringen will
Ein Lüftchen Luxus weht über die Felder von Menning. Den kleinen Ort bei Vohburg, unweit des geografischen Mittelpunktes Bayerns, kennt nicht jeder. Noch nicht. Dabei liegt hier ein Schatz verborgen. Kein Gold, kein Öl – sondern etwas, das weit seltener, edler und feiner ist: hier entwickeln sich Burgunder-Trüffel. Hoffentlich.
VON STEFANIE HERKER
Der junge Menninger Landwirt Andreas Neumayer leistet auf seiner Fünf-Hektar-Plantage sozusagen Pionierarbeit. Er ist gelernter Landschaftsgärtner, Imker, er ist mit der elterlichen Landwirtschaft groß geworden, ist Bauhofleiter bei der Stadt Vohburg. Ein Naturbursche, der sein Leben den Pflanzen und Tieren verschrieben hat. Wenn nicht er, wer dann, könnte so ein mutiges Vorhaben erfolgreich umsetzen? Ein Mann, der seine Wurzeln kennt – und gleichzeitig den Mut hat, neue Wege zu gehen.

Als Andreas den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern übernahm, war für ihn klar, dass er einen anderen Weg als die konventionelle Landwirtschaft einschlagen möchte. Den Betrieb auf eine Bio-Landwirtschaft umzurüsten, dafür war nicht genügend Zeit, da er und seine Frau beide berufstätig sind. Doch im Einklang mit der Natur sollte auf den Feldern, auf denen zuvor Mais, Zuckerrüben und Weizen im Wechsel gediehen, etwas Neues wachsen, ohne Pestizide. Durch einen Zeitungsartikel in der Maschinenring-Zeitung über spezielle Trüffelbäume vom Bodensee kam er auf die Trüffel-Fährte. Viele Ratschläge für sein Vorhaben konnte er sich nicht holen. Als Trüffel-Pionier in Oberbayern griff er allein auf Bücher zurück und lernte selbst.

Seit fünf Jahren widmet sich Andreas dem Anbau der begehrten Edelknolle. Trüffel – das klingt nach Südfrankreich oder dem Piemont, nach Haubenlokalen und weißen Tischdecken. „Die Leidenschaft, etwas Neues zu machen, treibt mich an“, sagt Andreas. Seine Plantage: ein stilles Versprechen an die Zukunft. Denn: Von Anfang an wusste er, frühestens nach sieben Jahren ist mit einer ersten Ernte zu rechnen. Und selbst dann bleibt sie ungewiss. „Aber ich wollte einfach ein Produkt finden, dessen Anbau uns wieder näher an die Natur bringt“, sagt Andreas. Gefunden hat er mehr als das – eine Vision, die er mit seiner Frau Damaris teilt. Während Andreas nach seiner Arbeit als Bauhofleiter auf dem Feld steht, kümmert sich Damaris um die schriftliche Dokumentation und führt das Büro. Außerdem wuseln noch drei Mädels, zwei Hunde und einige Bienenvölker durch das Leben der beiden.




Andreas und Damaris wissen, sie arbeiten hier an einem ganz großen Projekt, angelegt auf hundert Jahre oder mehr. Trüffelplantagen sind keine kurzfristige Investition – sie brauchen Geduld, Pflege, Wissen und das richtige Bauchgefühl. Doch was sie der Region zurückgeben, ist von unschätzbarem Wert: CO₂-Bindung, Artenvielfalt, hochwertige Lebensmittel – und vielleicht irgendwann ein kulinarisches Aushängeschild für Menning in ganz Bayern.
Andreas verzichtet komplett auf Düngemittel, Pestizide und Fungizide. Die Voraussetzungen für sein Vorhaben scheinen gut – geologisch wie mental: Der Boden stimmt, die Einstellung auch. Der Boden rund um Menning ist geprägt von Muschelkalk – ein geologisches Erbe, das den Trüffeln schmeckt. Denn auch Trüffel sind wähler- isch. Sie wachsen nicht irgendwo – sie sind anspruchsvoll. Sie gedeihen in Symbiose mit bestimmten Baumarten, etwa Hasel, Eiche, Hainbuche oder Buche. Der erste Schritt: die Pflanzung junger Bäume, deren Wurzeln im Labor mit Trüffelsporen beimpft wurden. Diese sogenannten Mykorrhizapflanzen bilden unterirdisch ein Pilznetzwerk, das mit dem Baum in enger Partnerschaft steht: Der Baum liefert Zucker, der Pilz versorgt ihn mit Mineralien. „Wir haben unsere Bäume in einer Baumschule am Bodensee bestellt.“

Im Oktober 2020 pflanzten die Neumayers mit Freunden und Helfern 2305 heimische Sträucher und Bäume in zwei Tagen. 2021 folgten nach positiven Wurzelproben weitere 1612 Sträucher und Bäume – in sorgfältigen Reihen, mit Abstand, Struktur und viel Raum für Licht und Luft. „Die Bäume wachsen langsam, ebenso das Pilzgeflecht. Eine zusätzliche Bewässerung ist nur in besonders trockenen Sommern nötig“, erklärt der 40-Jährige. Ein wichtiger Aspekt: Trüffel brauchen Ruhe. Kein Umgraben, keine maschinelle Bearbeitung – alles passiert in stiller Symbiose. Die Anlage selbst ist ein Ökosystem: Andreas pflanzte zusätzlich Apfelbäume und schuf eine üppige Bienenweide mit biodiverser Bepflanzung zwischen den Plantagepflanzen – mit Platz für Millionen Insekten. Hier blühen Margeriten, Schaumkraut, Mohn, Spitzwegerich, verschiedene Klee-Sorten, Wetterkerzen, Kamille uvm.
„Das ist alles nur Beiwerk“, erklärt er bescheiden, wohlwissend, dass er hier ein kleines Paradies geschaffen hat. „Notwendig für die Trüffel ist das alles nicht, aber wenn man sich das anschaut, wie alles blüht und schwirrt, da geht einem doch das Herz auf. Ich bin einfach gerne hier.“ Auf einem Baumstamm am Rande der Plantage sitzt er nach einem langen Tag manchmal noch einen Moment da, genießt den Sonnenuntergang und träumt vom eigenen Trüffel. Trüffel, die morgens noch im bayerischen Boden stecken, mittags auf dem Teller eines Wirtshauses in der Region landen – frisch, duftend, lokal. Ohne Flugzeug, ohne Zwischenhändler. Ein Luxusprodukt, das Wurzeln in der Heimat schlägt.

Diese Symbiose zwischen Pilz und Pflanze, bei der der Pilz mit den Feinwurzeln der Pflanze in Kontakt tritt, ist für beide Partner vorteilhaft: Der Pilz erhält von der Pflanze Kohlenhydrate und die Pflanze erhält vom Pilz Nährstoffe wie Phosphor und Wasser, die sie alleine schwerer aufnehmen könnte.
Fotos der Wurzelproben von Dr. Ulrich Stobbe. Zu sehen ist das Mykorrhiza an der Hainbuche auf Andreas´ Plantage.
Trüffel – Ein kleiner Exkurs
Trüffel gehören zu den mythischsten Lebensmitteln der Welt. Schon in der Antike galten sie als „Speise der Götter“, in Frankreich wurden sie im 18. Jahrhundert zum kulinarischen Statussymbol. Dabei sind sie eigentlich nichts anderes als unterirdisch wachsende Pilze, die in Symbiose mit Bäumen leben. Der Trick: Sie verbergen sich unter der Erde – und verströmen dabei ein Aroma, das sogar Molekularforscher beschäftigt. Denn der Duft der Trüffel ist komplex, erdig, nussig, manchmal mit Anklängen von Honig, Knoblauch oder sogar Moschus.
Welche Trüffelarten gibt es?
Es gibt über 200 bekannte Trüffelarten, aber nur ein gutes Dutzend ist essbar – und nur wenige gelten als echte Delikatessen. Die drei bekanntesten:
- Der Burgundertrüffel (Tuber Uncinatum): Die „Einsteigertrüffel“ mit mild-nussigem Aroma. Robust, gut lagerfähig, in Mitteleuropa heimisch.
- Der Périgord-Trüffel (Tuber Melanosporum): Die Königin unter den Trüffeln. Dunkel, aromatisch, teuer. Braucht kalkreiche Böden und milde Winter. (Fast geheim: Andreas probiert sich auch darin, weiß aber noch nicht, ob es klappen wird.)
- Der Weiße Alba-Trüffel (Tuber Magnatum Pico): Der seltenste und teuerste, ist nicht kultivierbar, nur wildsammlungsfähig.
Hier schmeckt’s
Trüffel werden roh über warme Speisen gehobelt – zum Beispiel lieben wir sie auf Pasta, Pizza, Eierspeisen oder Risotto. Sie harmonieren aber auch mit Käsegerichten, Hühnchen, Fisch, Canapés und Vorspeisen oder als Topping auf cremigen Suppen und Saucen. Sie entfalten ihr Aroma am besten in Verbindung mit Fett, etwa Butter oder Sahne. Hitze schadet ihnen, hier sind sie zart und flüchtig. Wer sie frisch erntet, muss schnell sein: nach einer Woche verliert selbst der beste Trüffel sein charakteristisches Bouquet.
Nur noch ein paar hundert Stunden Feldarbeit, einer schlauen Marketingstrategie und einer feinen Spürnase entfernt ist der Trüffel-Traum. Und entweder grunzt dann in zwei Jahren fröhlich das Trüffelschwein in Menning oder ein ausgebildeter Hund mit Trüffelsinn ergänzt die Familienbande. Andreas setzt auf Letzteren. „Ein Hund ist der bessere Partner“, sagt er. „Er will gefallen, will seinem Menschen etwas bringen. Das Schwein hingegen… das frisst’s dir vielleicht einfach vor der Nase weg.“
Er lacht – aber meint es ernst. Denn zwischen Mensch und Hund entsteht bei der Trüffelsuche eine besondere Verbindung. Der Hund schnüffelt, kratzt leicht – und zeigt so an, wo sich unter der Erde der Schatz verbirgt. Der Mensch gräbt vorsichtig nach. Nur so lässt sich die Knolle heil und unverletzt bergen. Man spürt: Auch bei der Trüffelsuche geht es dem jungen Mann nicht nur um Effizienz, sondern um Verbindung zwischen Mensch, Tier und Natur.
Wenn man Andreas Neumayer zwischen seinen Bäumen umherwandern sieht, ist die Ruhe, das Vertrauen in den Prozess, die Liebe zur Erde spürbar. Trüffel sind für ihn kein Luxusprodukt im herkömmlichen Sinn, sondern Ausdruck eines anderen Umgangs mit Natur, Zeit und Wertschätzung. „Und wenn es soweit ist, können wir nur hoffen, dass die Trüffel dann auch schmecken“, grinst er. Wenn also in ein paar Jahren die ersten echten Menninger Trüffel gefunden werden, dann wird bald jeder wissen, wo Menning ist.
Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, kann auf Instagram @menninger_trueffel reinschnüffeln und Andreas‘ Arbeit verfolgen. Wir bleiben jedenfalls dran!

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