Wie geht es unserem Wald

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Wie geht es unserem Wald

Unterwegs mit Förster Florian Schlagbauer

Fotos & Interview Sebastian Birkl

Herr Schlagbauer, stellen Sie sich vor, Sie wären Arzt und der Wald käme als Patient zu Ihnen. Welche Diagnose würden Sie stellen?
Aus meiner Sicht ist der Wald ein etwas schwächelnder und teilweise überalterter Patient, der anfälliger gegenüber Krankheiten und Schäden ist.

Als Revierleiter sind Sie zuständig für mehrere Privat- und Gemeindewälder in der Region. Welche durch den Klimawandel verursachten Veränderungen bzw. Schäden können Sie in „Ihren“ Wäldern feststellen?

Den Klimawandel spürt jeder. An einem Tag trägt man die Winterjacke, am nächsten die kurze Hose. Solche Extreme tun natürlich auch dem Wald weh. Er entwickelt sich dadurch langsamer. Die Niederschläge im Sommer kommen nun oft geballt als Starkregen, meist in Verbindung mit einem Gewitter. Einen langsamen Regen könnte der Wald besser aufnehmen. Die durch den Klimawandel hervorgerufenen Verhältnisse begünstigen die Ausbreitung von Schäden durch Borkenkäfer, Hitze und Dürre. Der Wald wird dadurch lückiger und bietet damit noch mehr Angriffsfläche für weitere Schäden. Viele Trockenjahre sorgen für weniger Nadeln an den Bäumen und für das Absterben älterer Nadeljahrgänge. Zudem kann sich die Fichte beim Angriff des Borkenkäfers nicht mehr richtig wehren. Heißt: Der Borkenkäfer bohrt ein und der Baum stirbt innerhalb kürzester Zeit ab. Wäre die Fichte gesund, würde sie ausharzen und könnte so den Käfer bekämpfen. Das ist leider die letzten Jahre nicht mehr möglich.

Welche Schäden werden noch auf uns zukommen?

Die Schäden sind hauptsächlich finanzieller Art. Der Wald wird immer Wald bleiben und es wird immer wieder etwas nachkommen. Gleichzeitig müssen wir die entstandenen Freiflächen aber mit hohem finanziellem Aufwand neu bepflanzen und pflegen.

Ein großes Problem – nicht nur in unserer Region – ist die Monokultur der Wälder.
Die allermeisten Bäume in den Wäldern sind Fichten. Wie sieht ein „klimastabiler“ Wald der Zukunft aus Sicht eines Försters aus?

Ein klimastabiler Wald beherbergt viele verschiedene Baumarten auf der gleichen Fläche. Heißt: der Wald ist bunt gemischt – ein vielschichter Mischwald aus Nadel- und Laubbäumen von jung bis alt. An klimaresistenteren Bäumen gibt es eine ganze Palette, es kommt aber dabei auch immer auf den Boden und die Lage an. Die richtige Baumart wird entsprechend gewählt.

Wie wird mit dem Totholz in Ihrem Revier umgegangen? Zum einen ist es nicht nur wichtiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sondern auch Nährstofflieferant für den Boden. Zum anderen fühlt sich dort auch der Borkenkäfer sehr wohl.
Totholz hat für uns eine zentrale Rolle. Wir versuchen, den Totholzanteil im Wald zu erhöhen. Teilweise sorgen wir selbst dafür. Wir schneiden Bäume etwa bei der Hälfte um und lassen den Stumpen stehen. Der Rest des Baumes verbleibt auf dem Waldboden. Totholz dient als Lebensraum für Tiere und Pilze, aber auch als Wasserspeicher ist es sehr wichtig. Bei Starkregen kann so ein Teil des Wassers aufgefangen und bei Trockenheit wieder abgegeben werden. Der Borkenkäfer und das Entstehen bzw. Belassen von Totholz steht in keinem Zusammenhang, weil Totholz meist von Laubbäumen oder Kiefern ist. Der Borkenkäfer geht aber nur an lebende Fichten, die anderen Baumarten sind nicht betroffen.

Dauert die „Umgestaltung“ des Waldes mit Blick auf den Klimawandel nicht eigentlich zu lange? Man hätte wahrscheinlich schon vor Jahrzehnten anfangen müssen. Gibt es einen festgelegten Fahrplan?

Es wurde schon vor Jahrzehnten begonnen. Generationen vor uns haben schon erkannt, dass die Monokulturen der Fichte anfällig für Schadereignisse sind und in stabilere Mischwälder umgebaut werden müssen. Die Klimakrise ist dringlich. Das Klima verändert sich sehr schnell und geht ins Extreme, aber der Umbau des Waldes dauert Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. In Bayern wurde 2020 das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2030 200.000 Hektar der Nadelholzbestände in stabile Mischwälder umzubauen (Bayern hat insgesamt 2,6 Mio. Hektar Wald, Anm. d. Red). Bei der im letzten Jahr veröffentlichten Bundeswaldinventur sieht man, dass das Ziel zwar ambitioniert ist, wir aber auf einem guten Weg sind, es zu erreichen. In Bayern wird der private und kommunale Waldbesitzer gefördert. Man unterstützt ihn beim Waldumbau finanziell, ich stehe als Berater zur Verfügung. Wir versuchen, die Waldbesitzer dazu zu animieren, weg von Fichten- oder Kiefernbeständen und hin zum stabilem Mischwald zu gehen.

Der Umgestaltung des Waldes stehen möglicherweise auch wirtschaftliche Interessen entgegen. Der Großteil der Einnahmen wird durch den Verkauf von Fichtenholz gemacht. Das Holz von Laubbäumen verkauft sich im Mittel meist zu geringeren Preisen. Peter Wohlleben ist ein recht bekannter Vertreter der Försterzunft. In einem Interview vor zwei Jahren sagte er: „Als Förster wird man ja erst mal darauf getrimmt, Rohstoff zu erzeugen und auf Holzqualitäten zu blicken. Alles links und rechts der Verwertbarkeit von Bäumen wird quasi aus der Wahrnehmung herausgeschnitten.“ Wie stehen Sie als recht junger Förster, Sie sind 28, zu diesem Spannungsverhältnis?

Ich denke, Herr Wohlleben macht es sich da ein bisschen einfach. Er kritisiert einen Punkt, der bei uns nicht mehr so gegeben ist. Ich habe 2019 meinen Abschluss gemacht, bei uns stand die Gesamtheit des Ökosystems Wald immer im Vordergrund. Das „Schützen und Nützen“ auf gleicher Fläche war für uns ein wichtiger Punkt. Dass die wirtschaftliche Rolle eines Waldes auch wichtig ist, ist jedem klar. Ich kann nicht immer nur investieren. Das Anpflanzen, Ausgrasen, Pflegen und Zäunebauen kostet viel Geld und benötigt viel Manpower. Das muss sich tragen. Mit den Fichten der Generationen vor uns finanzieren wir jetzt den Waldumbau für die Generationen nach uns. Aus meiner Sicht gibt es da kein „Entweder-oder“. Wir brauchen Baumarten, die man – Stand jetzt – gut vermarkten kann, gleichzeitig müssen wir aber eben auch schauen, dass wir Vielfalt hineinbekommen. Der Wald muss stabil sein, damit er die Funktionen erfüllen kann, die er erfüllen muss. Ich bin mir auch sicher, dass sich die Wirtschaft umstellen wird. Es gibt z.B. mittlerweile innovative Verfahren, um auch Laubholz im Baubereich einzusetzen. Mit Buchen werden u.a. Möbel produziert, statt sie als Brennholz zu verwenden.

Warum wollten Sie eigentlich Förster werden?

Meine Eltern haben selbst einen Wald. Schon als ich in der 8. Klasse war, wollte ich wissen, wie das Ökosystem dort funktioniert, warum Bäume entnommen werden müssen und warum genau dieser und nicht jener. Ich bin dabei geblieben und hab’s bisher nicht bereut.

Dem Wald wird eine beruhigende Wirkung auf den Menschen nachgesagt. Welche Wirkung hat der Wald auf Sie, wenn Sie Ihn betreten?

Das kommt immer drauf an, wie man selbst gerade drauf ist. Wenn ich beruflich im Stress bin, es schnell gehen muss und dann einen Borkenkäfer sehe, stresst der Wald mich. Aber sobald man sich dem Wald öffnen kann, das Auge auf den Wald lenkt und die Schönheit erkennt, beruhigt es jeden. Man fährt herunter und es tut einem einfach gut.

Über Florian Schlagbauer

Florian Schlagbauer wurde 1996 in Kelheim geboren und lebt in Riedenburg. Nach dem Forstingenieursstudium an der Hochschule Weihenstephan legte er 2020 die Staatsprüfung in Lohr am Main ab. Seit 2021 ist er als Revierleiter am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ingolstadt-Pfaffenhofen für das Revier Stammham zuständig und betreut dort die Privat- und Gemeindewälder. Das Forstrevier Stammham umfasst die Gemeinden Kösching, Stammham, Hepberg, Lenting, Großmehring, Gaimersheim und Wettstetten.

Waldzustandsbericht 2024

Wie geht es unserem Wald? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch das Landwirtschaftsministerium regelmäßig. Im Juni wurde der neue Waldzustandsbericht veröffentlicht. „Der Gesundheitszustand unserer Wälder ist nach wie vor besorgniserregend“, schreibt der zuständige Bundesminister Alois Rainer (CSU) im Vorwort. Konkret heißt das: 80 Prozent der Fichten, Kiefern, Buchen und Eichen in Deutschland sind krank. „Unsere Wälder stehen unter Dauerstress“, erklärt Rainer. Bemerkbar ist der schlechte Gesundheitszustand vor allem am Kronenzustand der Waldbäume. „Er hat sich im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verbessert. Trotz relativ günstiger Witterungsbedingungen im vergangenen Jahr bleiben die Schäden auf hohem Niveau.“ Auffällig: Bei der Eiche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 44 % auf 51 % gestiegen. Bei der Fichte sank er hingegen von 43 % auf 39 %. Waren im Jahr 1989 noch 44 Prozent aller Bäume gesund (was für sich genommen schon keine gute Nachricht ist), sind es im aktuellen Prüfjahr 2024 nur noch 21 Prozent.

Die Ergebnisse des Waldzustandsberichts seien ein erneuter Weckruf, so der Bundeslandwirtschaftsminister. Die Anpassung der Wälder an den Klimawandel bleibe weiterhin eine wichtige Aufgabe für die Entwicklung und Erhaltung der Wälder.

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